Extreme - Six

Review von Rockmaster vom 18.06.2023 (1215 mal gelesen)
Extreme - Six Ich kann nicht behaupten, dass die Band EXTREME in den 90er-Jahren zu meinem bevorzugten Beuteschema gehört hätte, auch wenn die damalige Entwicklung des Heavy Metal weg vom Traditionellen schon viel leeren Raum für andere musikalische Erfahrungen zurückgelassen hatte. Klar, 'More Than Words' war eine hübsche Ballade, die sich aber durch Dauerrotation auf MTV und den anderen üblichen Verdächtigen ziemlich schnell abgenutzt hatte. Sonst hatte EXTREME kaum herausragende Hits, und so hielt auch der Hype um die Band die Grunge-Ära nicht lange durch. Nun sind Sänger Gary Cherone und Saitenflitzewunderfingerhexerkind Nuno Bettencourt mit den nicht mehr ganz neuen Mitgliedern Pat Badger und Kevin Figueiredo mit Album Nummer "Six" zurück. Und was soll ich sagen - EXTREME klingen so jung wie vor dreißig Jahren und sowas von extrem fluffig, und sie verbreiten extrem launige Vibes. Die Band zeigt sich stilistisch vielseitig und experimentierfreudig. Schon der Opener 'Rise' sperrt sich gegen eine klare Kategorisierung, und die Band macht hier den Spagat zwischen einer stadiontauglichen Rock-Hymne und Nunos dominant dreckigem Gitarrensound (und seiner immer wieder eingestreuten Saitenmagie), der dem konträr entgegensteht, ebenso wie die schnörkellose Produktion, die die Band ohne hinzugemischten Schnickschnack erfrischend ehrlich klingen lässt. Schon '#Rebel' und 'Banshee' variieren die Stilmerkmale und den Sound. Sämtliche Refrains gehen runter wie Öl, aber Nuno ist auch immer wieder für Überraschungen gut - die aufsteigende (und in der Variation absteigende) Tonfolge, mit der er vom Hauptriff auf 'Banshee' in die Strophen überleitet, verblüfft mich ein aufs andere Mal durch ihre scheinbare Einfachheit, mit der sie für jeweils einen Takt übliche Hörgewohnheiten aushebelt. Mit 'Small Town Beautiful' dürften Fans des alten Hits 'More Than Words' perfekt bedient sein - wobei ich persönlich den neuen Titel wesentlich ausdrucksstärker finde.

Die stilistische Reise geht über das gesamte Album weiter, 'The Mask' und 'Thicker Than Blood' (der neben 'X Out' auch mal mit elektronischen Sounds aufwarten darf) klingen anders als alle anderen Titel auf "Six", und so wird das Album nicht einen Moment lang langweilig. Natürlich wird jeder auch Titel finden, auf die er oder sie hätte verzichten können, aber das geht absolut in Ordnung. Ob einer der neuen Titel das Potenzial hat, ein großer Hit zu werden, ist schwer zu sagen. Heutzutage wird man ja schon nach links gewiped, wenn es mehr als drei Takte bis zum Refrain dauert. Und EXTREME haben ihre Hitqualitäten nicht auf einen einzelnen Titel konzentriert, sondern einfach auf ein Dutzend (minus alles, was einem persönlich vielleicht nicht taugt) absolut gerecht verteilt. Aber wenn es ein Titel mehr als verdient hat, dann ist es die Schlussnummer 'Here's To The Losers'. Nicht, weil er herausragend komponiert wäre. Ist er nicht. Aber die Message ist einfach großartig, und ich würde den Chorus jederzeit mitsingen. Wollte ich jetzt eine Legende schaffen, würde ich die Behauptung aufstellen, dass hier die Loser-Fraktion einer Bostoner High School beim Einsingen geholfen hätte, aber das wäre natürlich reine Spekulation. So oder so transportiert der Chor aber ohne Worte die eigentliche, Mut machende Kernaussage des Titels: "Wir Loser sind gar nicht so wenige!"

"Six" ist schon jetzt das Rock-Album dieses Jahres (oder wenigstens dieses Sommers), das dazu einlädt, das Cabriodach zu öffnen (Vermerk an mich: Trennscheiben für die Flex auf die Einkaufsliste), an die Uferpromenade zu fahren und das Sunset Strip-Feeling zu genießen. OK - die Wahlmöglichkeit zwischen dem zugebauten Seeufer des Starnberger Sees oder dem Isarradweg könnte einige Konflikte mit Anwohnern oder anderen Verkehrsteilnehmern aufwerfen. Aber mit dieser Scheibe auf den Lautsprechern und vielleicht einer gut gekühlten Kiste Bier in Reichweite wird einem weder der Villenbesitzer, auf dessen Bootssteg man sich in eine auswegslose Lage manövriert hat, noch der in zwickende Spandexpelle gezwängte Sonntagsmountainbiker lange böse sein.

Gesamtwertung: 10.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Rise (4:36)
02. #Rebel (4:24)
03. Banshee (3:35)
04. Other Side Of The Rainbow (4:12)
05. Small Town Beautiful (4:28)
06. The Mask (4:14)
07. Thicker Than Blood (3:47)
08. Save Me (4:52)
09. Hurricane (3:32)
10. X Out (5:51)
11. Beautiful Girls (4:05)
12. Here's To The Losers (5:06)
Band Website:
Medium: CD
Spieldauer: 52:42 Minuten
VÖ: 09.06.2023

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