Czakan - Unreal

Review von baarikärpänen vom 19.04.2023 (996 mal gelesen)
Czakan - Unreal Na schau an, da hat aber jemand noch mal Blut geleckt. Was in diesem Falle absolut begrüßenswert ist. Ich kann mich noch gut an den Jahresbeginn 1990 erinnern, als ich beim Dealer meines Vertrauens "State Of Confusion", das Debüt der Esslinger CZAKAN, abgegegriffen habe. Warum ich mich so gut daran erinnere? Ich hatte nämlich kurz zuvor den ersten CD-Player in mein Auto eingebaut und "State Of Confusion" war tatsächlich die allererste CD, die in meinem Auto lief. Sachen gibt's ... Leider war die Scheibe irgendwann verschwunden und als "State Of Confusion" zu Beginn des Jahres tatsächlich wiederveröffentlicht wurde, musste ich geradezu wieder zuschlagen. Tja, und kaum ein paar Monate später steht mit "Unreal" tatsächlich nach über 30 Jahren der Zweitling von CZAKAN in den Regalen.

Nun erschien "State Of Confusion" ja damals nicht bei einem kleinen Label, sondern bei Intercord, die später von der EMI aufgekauft wurden. Immerhin war das Album Platte des Monats im "Metal Star" und 25.000 Einheiten wurden in Deutschland abgesetzt. Das Material, in der Schnittmenge von Hard Rock und Melodic Metal, wurde darüberhinaus voll und ganz internationalen Ansprüchen gerecht. Trotzdem verschwanden CZAKAN so schnell wieder von der Bildfläche, wie sie aufgetaucht waren, was immer auch die Gründe dafür gewesen sein mögen. Schade war's auf alle Fälle, weil die Esslinger mit ihrem Sound durchaus am Puls der Zeit waren. Und jetzt sind sie wieder da und tatsächlich in genau der Besetzung, die auch schon "State Of Confusion" eingespielt hat.

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Schon nach den ersten Klängen des Openers 'Free Line' fühlt man sich - und das bitte ich absolut als Kompliment zu sehen - als wäre es wieder 1990, die Band hat nach der Veröffentlichung ihres Debüts konzentriert am Nachfolger gearbeitet und den Sound nochmals verfeinert und macht mit "Unreal" einen echten Qualitätssprung im Vergleich zum eh schon guten Vorgänger. Dabei sind die Unterschiede zum Erstling eigentlich nur marginal, aber entscheidend. Noch mehr Breitenwirkung, ohne auch nur ein Fünkchen hardrockige Härte einzubüßen. Und auch die mit der Gitarre auf einer Stufe stehenden Keyboards sind wieder präsent. Da fällt es auch nicht ins Gewicht, dass CZAKAN auf einen MÖTLEY CRÜE-auf-Hyperspeed-artigen Abschädler wie 'High Speeder' vom Debüt verzichten. Was Geschwindigkeit angeht, hat 'My Sweet Love' auf "Unreal" die Nase vorne. Aber mal ganz ehrlich, wer eine Scheibe wie diese veröffentlicht, bei der die Feststellung "All Killer, No Filler" sowas von zutrifft, der darf auch gerne nur im gepflegten Midtempo bleiben, ein paar Schlenker in Richtung bluesiger WHITESNAKE einbauen wie in 'Masquerade' oder 'Burns Like A Fire'. Womit wir auch schon dabei sind, uns mal gepflegt vor CZAKAN zu verbeugen, weil die Herren satte 14 Songs auf "Unreal" gepackt haben, von denen kein einziger in die Kategorie "verzichtbar" fällt. Klar, dass auch CZAKAN sich aus dem reichhaltigen Fundus des Melodic Rocks, Hard Rocks und Classic Rocks bedienen, ist kein Wunder. Aber im Gegensatz zu den Fließband-Produktionen der Italiener von Frontiers, bei denen satte 95% der Truppen austauschbar und dröge klingen, machen CZAKAN aus den Vorgaben etwas ganz eigenes. Da dürfen auch gerne mal die Chöre in 'My Sweet Love' nach STYX klingen, bei denen sowas ja ein Erkennungsmerkmal war. Aber auch NIGHT RANGER haben ihre Spuren hinterlassen, wie im locker-flockigen 'Get Down' leicht nachzuhören. Das Label liegt gar nicht mal so falsch, wenn es CZAKAN Fans von BONFIRE ans Herz legt, hätte aber dazu sagen sollen, dass gewisse Berührungspunkte lediglich zu deren stärkster Phase, also zum Beispiel zu Zeiten von "Fireworks", vorhanden sind. Ich persönlich verorte CZAKAN dagegen lieber in der Ecke, wo die sträflich unterbewerteten VICE (ja, die mit dem schlimmen Cover in Neonfarben) oder die großartigen VAMP ("The Rich Don't Rock") zu finden sind. Kurzes Wort noch zu Sänger Michael Schennach, an dessen Stimme die Zeit anscheinend spurlos vorübergegangen ist. Starke Leistung, 34 Jahre nach "State of Euphoria" immer noch so zu klingen, als hätte er gerade erst die Tür vom Horus Sound Studio hinter sich zugemacht, wo das Debüt aufgenommen wurde. Sympathisch und deshalb auch erwähnenswert, dass CZAKAN bis auf das Mastering alle Fäden bei der Aufnahme und Produktion von "Unreal" in eigenen Händen hatten. Herausgekommen ist ein Album, das sich wie schon das Debüt mit den stärksten internationalen Veröffentlichungen im Sektor Melodic Metal/Hard Rock/AOR locker messen lassen kann. Wenn es denn wirklich was an "Unreal" auszusetzen gäbe, dann vielleicht das wenig einfallsreiche Cover-Artwork. Aber das ist bei der Güte der Musik wirklich nur Meckern auf höchstem Niveau.

"Unreal" wird genau das machen, was auch schon "State Of Confusion" gemacht hat: sich im CD-Player meines Gefährts wiederfinden. Nach dem langen und dunklen Winter hier im Norden Europas kann es gar keine bessere Musik geben, um den langsam beginnenden Frühling und die Sonne zu feiern. Respekt an CZAKAN, nach mehr als 30 Jahren mit so einem starken Stück Musik wieder auf der Bildfläche zu erscheinen. Deshalb auch neun Punkte wert!



Gesamtwertung: 9.0 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood blood blood dry
Trackliste Album-Info
01. Free Line
02. Getting Hungry
03. Breaking All The Rules
04. Livin’ In A Nightmare
05. Get Down
06. Burns Like A Fire
07. Under The Gun
08. City Nights
09. Masquerade
10. She Is A Woman
11. Winners Don`t Cry
12. My Sweet Love
13. Locked In A Cage
14. Show Me All Your Love
Band Website: www.facebook.com/profile.php?id=1000856058
Medium: CD
Spieldauer: 52:34 Minuten
VÖ: 14.04.2023

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