Interview mit Jens von Night In Gales

Ein Interview von Eddieson vom 24.09.2023 (3919 mal gelesen)
Knapp zwei Jahre nach "Dawnlight Garden" und der letztjährigen Split mit NYKTOPHOBIA kommt am 29.09. das neue NIGHT IN GALES-Album "The Black Stream". Mit ihrem Melodic Death Metal schlägt die Band wieder voll in die Kerbe der Neunziger Jahre. Bandkopf Jens erzählte ein bisschen mehr zum neuen Longplayer.

Hallo Jens! Glückwunsch zu eurem neuen Album "The Black Stream". Ist ein absolut starkes Album geworden.

Jens: Danke Jan. Freut mich sehr, dass Dir das neue Album gefällt!

In unserem letzten Interview zu "Dawnlight Garden" sagtest du, dass du dir vor dem Release unsicher warst, wie es bei den Fans ankommt, weil du dachtest es sei zu "unruhig und anstrengend". Wie geht es dir jetzt mit dem neuen Album "The Black Stream", welches Ende des Monats erscheint?

Jens: Ich bin auch diesmal wieder gespannt, wie das Album bei den Leuten ankommt. Es ist zwar stilistisch weiterhin im Stile der Vorgänger "The Last Sunsets" und "Dawnlight Garden", aber es ist immer spannend, bis man die ersten Reviews liest. Es gibt zu vielen Dingen immer völlig andere Sichtweisen, man beginnt die Songs quasi durch andere Ohren zu hören. Diese neuen Perspektiven sind mir viel wert, weil man bis zur Veröffentlichung mit seiner völlig subjektiven Meinung immer komplett im Tunnel steckt.

Bist du ein Typ, der nach den ganzen Songwriting, Proben und Aufnahmen zu "The Black Stream" jetzt erst mal Abstand von den Songs braucht oder hörst du dir das Album auch jetzt noch gerne zur Gänze an?

Jens: Ich höre es immer noch gerne, meistens sehr laut im Auto oder vom Vinyl. Nach dem Mastering gab es aber eine längere Pause, in der ich es so gut wie gar nicht aufgelegt habe. Es ist schon so, dass man nach Aufnahme, Mix und Mastering erstmal etwas Abstand dazu braucht, um es wieder gut finden zu können.[lacht] Das ist denke ich aber völlig normal bei solchen Schaffensprozessen und sagt nichts über die Qualität aus.

Ich gehe mal davon aus, dass du wieder den Großteil der Songs/Songstrukturen geschrieben hast oder gab es einen größeren Anteil an den Songs von der restlichen Band?

Jens: Das hat sich wieder so ergeben, ja. Der Hauptgrund dafür ist sicherlich, dass ich, wenn ich einmal angefangen habe, immer sehr schnell fertig bin mit allem. Wir setzen uns auch immer eine Deadline, zu der es zum Mix gehen muss. Dan will natürlich auch wissen wann es losgeht. Während der Gesangsaufnahmen gab es diesmal aber schon ein paar strukturelle Änderungen und auch Textergänzungen von Christian. Adriano ändert durch seine Interpretation auch immer mal den Charakter einiger Passagen oder auch ganzer Songs. So verhält es sich im Prinzip mit allen Instrumenten, und genau das macht es auch spannend. Wenn das fertige Album genauso wie die Vorproduktion klingen würde, wäre das auch irgendwie langweilig.[lacht] Dan hat sich hier und da durch seine Ideen auch eingebracht und das Album mitgeprägt.

Verstehst du NIGHT IN GALES auch als Lehrbuch, um den Kids von heute zu zeigen wie guter Melodic Death aus den Neunzigern zu klingen hat? Schließlich ist Melodic Death Metal so in der dieser Art heute nicht mehr ganz so angesagt.

Jens: Ich denke, dass wir mit dem Sound vielmehr das Nostalgiebedürfnis meiner Generation bedienen. Was in den letzten 20 Jahren alles als Melodic Death Metal verkauft wird, ist schon abenteuerlich. Da ist es nur gut, wenn zwischen diesen ganzen Alben auch heute immer noch ein paar neue erscheinen, die noch dem ursprünglichen Rezept folgen. Es ist aber eigentlich bei uns gar keine so arg erzwungene Geschichte, es ist einfach unser Stil, wir klingen so.

Um Songs für NIGHT IN GALES zu schreiben, lässt du dich da von Neunzigern inspirieren, hörst zum Beispiel alte Alben von damals oder woher nimmst du diesen Neunziger-Vibe?

Jens: ich höre mir keine anderen Alben an, um mich inspirieren zu lassen und höre auch kaum noch selbst Melodic Death Metal. Ich bin als Kind in ein Fass mit Melodic Death Metal gefallen. Das ist in mir drin und wenn ich für NIGHT IN GALES schreibe, da kommt das einfach so raus. Muss da nicht bei Nachdenken oder so, die Songs kommen ganz von alleine, wenn man das "Song-Ventil" öffnet.

Seit "The Last Sunset" seid ihr, bzw. du, ja wieder voll in Fahrt. Es vergehen keine 2 Jahre, wo kein Album erscheint. Zwischen "Dawnlight Garden" und "The Black Stream" gab es ja auch noch die Split mit NYKTOPHOBIA. Können wir also 2025 schon mit dem nächsten Album rechnen? Steckst du im permanenten Songwriting-Modus oder machst du jetzt erst mal einen Cut und fängst dann in ein paar Monaten mit den Songs fürs nächste Album an?

Jens: Der Eindruck täuscht auf jeden Fall. Ich verbringe tatsächlich relativ wenig Zeit mit Gitarre spielen bzw. Songwriting. Das sind immer sehr konzentrierte Phasen. Zwischen Mastering und Veröffentlichung können schonmal 1-2 Jahre liegen, da kann es sein, dass man die Zeit schonmal nutzt, um an neuem Material zu arbeiten. Wenn ich einmal anfange und es läuft gut, dann geht es Schlag auf Schlag. Bestenfalls entsteht dann täglich ein neuer Song. Wenn 10 bis 15 Songs grob stehen, fange ich an, Lyrics zu schreiben und ordne die dann den Songs zu. Das nimmt manchmal etwas mehr Zeit in Anspruch, bis die Lyrics wirklich auf die Songs arrangiert sind.

Zwei absolute Highlights des neuen Albums sind der Titeltrack und 'Gone Forever', welcher ja auch mit Video schon veröffentlicht ist. Was kannst du mir zu den beiden Songs erzählen?

Jens: Beim Titeltrack stand zuerst das Akustik Intro, und als ich das hörte, war ich noch der Meinung, dass das Ding auch das Album eröffnen sollte. Im Nachhinein hat es aber wieder eine direkt flott startende Nummer auf die eins geschafft. Das Intro des Titeltracks dient jetzt als kleine akustische Verschnaufpause und zugleich als Intro der B-Seite des Vinyls, das bot sich einfach an. Der Track ist zweigeteilt. Nach dem ruhigen Intro folgt ein sehr schneller und recht kurzer Song. Es ist uns wichtig, dass die Songs nicht immer dem gleichen Standard-Schema Strophe - Pre-Chorus - Chorus folgen, das wirkt sonst einfach sehr kalkuliert und damit nicht mehr authentisch, vor allem wenn man das Album am Stück hört. Oder anders ausgedrückt muss nicht jeder Albumtrack das Zeug zur Hitsingle haben. 'Gone Forever' dagegen ist eher eine sehr glatte runde Nummer geworden, die direkt mit einer einprägsamen Melodie startet, die rote Linie zieht sich hier durch bis zum Ende, es gibt wenig Kontraste. Ich mag auch beide Titel sehr. Bei diesem Album sind die aus Songwriting-Sicht perfekteren Stücke auf der A-Seite gelandet, die B-Seite enthält die etwas sperrigeren, ausgefalleneren Stücke. imgright

Mal angenommen, damals wäre euch der ganz große Durchbruch geglückt. Dafür wärt ihr nun aber in der Situation, ständig und regelmäßig neue Alben und Touren liefern zu müssen. Wäre das was für dich oder doch lieber so wie jetzt, wo der Druck nicht so hoch ist, ihr mal hier, mal da spielen könnt und nebenbei noch einen Alltagsjob mit festem Einkommen habt?

Jens: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das nicht schon öfters beschäftigt hätte.[lacht] Es ist damals wirklich nicht alles so richtig rund gelaufen. Ich habe mir das dann meist schön geredet nach dem Motto: gut, dass ich heute nicht davon abhängig bin, Sicherheiten habe, wie sollte sich das überhaupt mit Familie vertragen, bla bla bla. Und da ist sicher auch was dran. Ich bin jedenfalls nicht der Typ, der sich ständig mit den vermeintlichen Fehlern der Vergangenheit beschäftigt. Das reicht einmal gründlich, sodass man daraus lernen kann, und dann muss man nach vorne schauen und sich neue Ziele setzen, sonst taugt man ja zu nix und geht allen nur auf den Sack mit seinem Mimimi.

"Towards The Twilight" ist nun auch schon 26 Jahre alt. Wenn du das Album als heutiger Musiker hörst, wie denkst du da über euren ersten Longplayer?

Jens: Ich finde das Album sogar besser als damals, Tendenz steigend. Ich kann das heute viel besser einordnen, vergleiche es nicht mehr so verkrampft mit ähnlichen Alben dieser Epoche. Das kommt sicherlich auch durch den Zuspruch, den das Album immer noch aus aller Welt erhält. Was ich so mega faszinierend an den Aufnahmen finde, ist die Überzeugung, die es ausstrahlt. Insbesondere der Gesang von Björn auf diesem Album. Höre Dir das mal auf einem Kopfhörer an. Das geht ganz tief rein, ist völlig drüber und überartikuliert, und genau deswegen ist es grandios. 25 Jahre nach ihren ersten Alben machen sich die gleichen Musiker viel zu viel Gedanken um Songwriting, Wirkung, Marketing, reflektieren viel zu viel, usw. Das macht viel von dem Charme und Spirit kaputt, den die ersten Alben, die man mit 17 - 18 aufgenommen hat, noch ausgezeichnet haben. Genauso verhält es sich mit der Produktion. Man kann die, wenn man möchte, natürlich vergleichen und kaputtreden. Man kann aber auch einfach hingehen und es als Zeitzeugnis und eine authentische Momentaufnahme als etwas ganz Besonderes werten. Ich habe erst gestern ein neues Review zu EUCHARIST's "A Velvet Creation" auf metal.de gelesen und dabei ist mir wirklich der Hut hochgegangen als es um die Produktion ging. Ich feiere diese Alben genau deswegen, gerade weil sie sehr unterschiedlich klingen. Der eigene Stil einer Band war vor der digitalen Audiorevolution noch viel stärker durch die Produktion geprägt. Heute versuchen alle, den gleichen Höchststandard zu erreichen, es wird ein paar wenigen Referenzalben nachgeeifert, mit dem Ergebnis, dass am Ende fast alles gleich klingt. Ich finde, dass das seltsame Schönheitsideale sind, die dem eigentlichen Gedanken von Kunst widersprechen.

Lass uns nochmal eben auf die Split mit NYKTOPHOBIA zurückkommen. Ich finde die ja richtig geil. Sowohl von den Songs, 'Silenced By Stars' ist einer der besten NIGHT IN GALES Songs ever! Dazu kommt noch das grandiose Cover. Wie kam es zu dieser Split?

Jens: Cool, dass dir die Split gefällt. Verglichen mit den regulären Alben ist die Veröffentlichung natürlich etwas in der Presse untergegangen. Die Songs stammen aus der Session zu "The Black Stream" und wurden für diesen Split-Release als Überbrückung der Wartezeit bis zur VÖ des Albums ausgewählt. Die Idee zur der Split kam von Tomasz (Apostasy Records), der auch gleichzeitig Sänger von NYKTOPHOBIA ist. Solche Sachen sind auch überhaupt nicht mehr üblich, da Sie kommerziell gesehen ein viel größeres Risiko darstellen als reguläre Alben, vor allem da es ja auch ein aufwändiges Vinyl Boxset dazu gab. Die CD-Version der Split LP lag als Bonus übrigens der soeben ausverkauften limitierten CD Holzbox von "The Black Stream" bei.

Ich habe mal eben etwas in eurem Bandshop auf Bandcamp gestöbert und ich war etwas überrascht, dass die "Dawnlight Garden"-Leggings tatsächlich ausverkauft ist.

Jens: [lacht] Jaja die Leggings. In Deutschland ist das noch nicht so ganz angekommen, aber in Asien und den USA gehen die Dinger im Deathmädel-Bereich schon ganz gut. Wenn Du auffallen willst, ist das genau das Richtige. Die detailreichen Artworks von "Dawnlight Garden" und "Towards The Twilight" eignen sich auch einfach sehr gut für solche Allover-Print Geschichten. Von "The Black Stream" wird es sicherlich auch mal eine kleine Auflage für die Leggings-Sammler geben.[lacht] Die Dinger halten richtig warm, perfekt für die kalten Tage.

Wann gibt es in nächster Zeit die Möglichkeit, euch live zu sehen?

Jens: Die ersten Showangebote kommen gerade rein und für nächstes Jahr ist auch schon ein kleineres Open-Air im Süden bestätigt. Ich hoffe, da kommen bald noch ein paar schöne Termine dazu.

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