Interview mit Jim von Kissin' Dynamite

Ein Interview von RJ vom 05.05.2019 (12229 mal gelesen)
Kurz vor dem Auftritt hatte ich die Möglichkeit, noch ein Interview mit Jim Müller zu führen.

Ein Interview kurz vor dem Gig geht einfach nicht ohne Hektik ab. Das fängt schon damit an, dass kurz vorher erst der Einlass stattfindet und man sich irgendwie schnell an der schon wartenden Schlange vorbeimogeln muss, ohne den geballten Unmut abzubekommen. Teil eins klappt schon mal ganz gut und nach einer kurzen Rückkopplung mit dem Manager warte ich auftragsgemäß vor der Bühne, um zum Interview abgeholt zu werden. Im Backstage-Bereich, der im LKA oberhalb der Halle liegt und von unten durch die Vollverglasung eingesehen werden kann, hält eine chillige Ecke mit Couch und Sesseln bereit. Hier warte ich auf meinen Interviewpartner Jim, der sich heute meinen Fragen stellen wird.

Fangen wir mal mit eurem größten Erfolg an. „Ecstasy“ hat mit Platz 7 die höchste Chartplatzierung erreicht und dürfte bis hierher euer erfolgreichstes Album sein. Spiegelt die immer höhere Chartplatzierung über die sechs Alben betrachtet auch in etwa die Entwicklung der Band und eurer Musik wider?

Jim: Auf jeden Fall! Es gibt zwei konstante Zahlen, die gleichmäßig wachsen. Das sind die Chart-Positionierungen und die Live-Zahlen. Wir haben mit dem Album eine super Chartplatzierung erreicht und dementsprechend läuft die Tour, viele Zuschauer am Start und viele ausverkaufte Shows. Das hängt natürlich nicht nur mit dem Album zusammen, sondern auch, weil wir im November und im Januar mit POWERWOLF getourt sind und auch seit Oktober unterwegs sind. Dies spielt alles super zusammen und wir sind mega happy. Das schöne bei uns ist, es geht jedes Jahr mehr, wir erfahren eine gesunde Entwicklung.

Auf die Tour und die Zuschauerzahlen gehe ich gleich etwas mehr ein ... Es folgt eine kleine Knuddel-Unterbrechung, die Jim mit dem Heimspiel erklärt, denn in Stuttgart kommen nun mal die Freunde und jeder möchte die Jungs mal kurz begrüßen. Es wird nicht die letzte Unterbrechung sein, ist sich Jim sicher.

Was macht euch als Band aus? Immerhin spielt ihr, wenn ich recht orientiert bin, noch in der Originalbesetzung, was im Business sicherlich nicht selbstverständlich ist. Ihr profitiert von eurem stabilen Bandgefüge, eurer tiefen Freundschaft oder gibt es noch einen gewichtigen Grund für diese Konstanz?

Jim: Wir haben alle das gleiche Ziel! Wir wollen es so weit schaffen, dass wir sonst nichts mehr machen müssen. Wir wollen uns nur noch mit der Band beschäftigen, weil uns das am meisten Spaß macht. imgleft

Alle ziehen an einem Strang …

Jim: Genau! Seit Jahren und deswegen funktioniert es auch. Klar, es ist mit vielen Mühen verbunden und es ist nichts Anderes als eine Beziehung, halt nur mit fünf Leuten, was die Sache äußerst kompliziert macht. Aber dadurch, dass wir das schon so lange machen, die Pubertät zusammen durchgemacht haben, es wurde sich im Proberaum geprügelt, das hat uns unglaublich stark gemacht. Genauso mit der Crew, das sind alles Kumpels von uns, die das schon seit Jahren machen. Wir sind wie ein riesiges Schiff, und das macht es auch aus.

Ihr wirkt auch nach außen so, ihr kommt rüber wie eine glückliche Familie.

Jim: Wir verstecken das auch nicht. Da springt mal einer von der Crew auf die Bühne und dann wird mit dem halt Quatsch gemacht. Es ist nicht alles so stocksteif und so macht es auch viel mehr Spaß.

Ich habe bei uns mal eure Bewertungen gecheckt. Im Schnitt werden eure Alben mit 8,5/10 bewertet, dabei hat kein Album weniger als 7,5 Punkte erzielt und die 10 war auch schon dabei. Wie schafft ihr das, jedes Mal ein sehr gutes Album herauszubringen? Ich bin schon so weit zu sagen, dass man eure Alben blind kaufen kann. Ihr habt immer fünf, sechs mega geile Songs auf dem Album.

Jim: Vielen Dank dafür! Auf jeden Fall ist das zum einen das Songwriting-Gespann aus Hannes und Andi. Der Hannes schreibt die Songs und Andi die Texte und ohne die beiden würde es sowieso nicht funktionieren. Die zwei sind Gold wert. Ich glaube, was uns ausmacht ist, die Selbstreflexion zu haben. Keiner beharrt auf seinen Ideen, nur, weil sie von ihm ist, es wird immer nach dem Besten geguckt und es ist egal, von wem es ist. Meistens hat Hannes die besten Ideen, aber jeder ist am Prozess beteiligt. Wir geben uns auch nicht zu schnell zufrieden, auch wenn man es mal eben am Rechner hinpfuschen kann. Wir versuchen schon, alles rauszuholen und nicht einfach zufrieden zu geben und da ist Hannes totaler Perfektionist.

Wie du schon sagtest, wollt ihr ja mit eurer Musik euer Geld verdienen, was natürlich auch bedeutet, dass ihr eurem Rhythmus folgend alle zwei Jahre ein neues Album veröffentlicht. Demzufolge wäre nächstes Jahr wieder ein neues Album dran. Wird schon fleißig an neuem Material gewerkelt?

Jim: Gute Frage. Bisher haben wir es ja so gemacht, dass wir zwischendurch immer mal was geschrieben haben, was wir jedoch dieses Mal bewusst überhaupt nicht gemacht haben. Wir haben konzentriert an der Platte gearbeitet und uns die nötige Zeit genommen, und so wollen wir es jetzt auch wieder machen. Wir werden also bis Ende Oktober touren, wobei, da möchte ich gar nicht daran denken, denn das Live-Spielen könnte für mich immer so weitergehen. Wir schreiben also vor Oktober sicherlich keinen Song. Aber es ist auch mal gut, konsequent nichts zu machen und wer weiß, vielleicht geht es dann auch wieder ganz schnell und das nächste Album wird umso schneller fertig.

Ich bin auch immer wieder erstaunt, wenn Musiker erzählen, sie hätten einen Lauf gehabt und innerhalb kürzester Zeit 20 Songs geschrieben, aus denen sie dann nur noch die aussuchen mussten, die auf das Album sollten.

Jim: Ja, man kann es nicht erzwingen und es ist eh die Schwierigkeit mit der Kreativität, die man nicht erzwingen kann. Aber, wenn es läuft, dann läuft's. So war es mit diesem Album auch, bei Hannes ging es Schlag auf Schlag, Demo für Demo, als hätte er Zuhause ein Kistchen mit Songs gefunden.

Wo wir gerade bei euren Auftritten sind. Im Rahmen eurer "Ecstasy-Tour" spielt ihr fast 30 Konzerte in Europa, dazu noch diverse Festivals. Besonders gefreut hat mich die kürzlich erfolgte Bestätigung, dass ihr auch auf dem ROCKHARZ spielen werdet …

Jim: Ja, das war sehr kurzfristig.

Ihr habt ja schon auf dem ROCKHARZ gespielt, letztmalig 2016.

Jim: Das ist richtig, wir waren bereits zweimal auf dem ROCKHARZ. Ah, ich nehme alles zurück, wir haben sogar schon dreimal auf dem ROCKHARZ gespielt, erstmalig 2008. Danach war nämlich unsere Album-Releaseparty. Apropos ROCKHARZ, ich finde dieses Festival mega, da bin ich sehr gerne …

Es ist auch sehr chillig, überschaubar und wirklich gut organisiert. Es ist ein angenehmes Festival und es hat noch etwas Familiäres. Doch jetzt wieder zurück zur eigentlichen Frage. Es läuft bei euch, denn ihr habt richtig viele Auftritte und promotet die Scheibe "wie Sau" und habt auch etliche ausverkaufte Konzerte dabei. Besser kann es doch eigentlich gar nicht laufen, oder?

Jim: Auf gar keinen Fall! Es ist echt hammermäßig, wir sind alle total stolz. Das Team ist mega zufrieden, Plattenfirma, Booking Agentur und Management sind total zufrieden und happy, am happysten sind natürlich wir. Wir sind die, die vor dem Publikum stehen und genießen dürfen, es ist wie das Ernten der Saat, die man mit dem Album herausgebracht hat. Ein Album herausbringen ist geil, aber man bekommt da nicht diese direkte Rückmeldung.

Ja doch, durch die Rezension. Wenn man die Zeit hat und sich das mal durchliest, auch, welche Kommentare dazu abgegeben werden.

Jim: Natürlich, aber diese direkte Emotion bekommt man natürlich nur auf einem Live-Konzert. Deswegen machen wir das auch. Ich mache das alles, die Band KISSIN' DYNAMITE wegen des Live-Spielens, das ist für mich das A und O. Ich habe damals Angus Young von AC/DC live gesehen und ab dem Tag war für mich klar, dass will ich auch!

Ihr habt euch als Band ja schon recht weit entwickelt und man weiß ja, welche Verkaufszahlen man erreichen muss, um von seiner Musik leben zu können. Ich meine, ihr seid über dieses Stadium schon deutlich hinaus. Du sagtest gerade ja auch, dass ihr euch weiterentwickeln wollt. Wo soll es eurer Meinung nach noch hingehen, welche Ziele verfolgt ihr jetzt? Du kommst mir jetzt sicherlich mit der Antwort, ihr wollt jetzt das Stadion rocken …

Jim: Ja, klar! Irgendwann wird es mal so sein, hoffe ich mal, das ist meine Wunschvorstellung. Ich stelle mir das so vor, dass unser Intro läuft und währenddessen auf dem Stadiondach überall die fette Pyro-Scheiße abgeht. Die ganze Stadt weiß, dass KISSIN' DYNAMITE im Stadion spielen. Das ist das große Ziel. Auf dem Weg wird es viele geile, schöne Stationen geben und eine Station war, eine Tour mit vielen ausverkauften Konzerten zu fahren. Das haben wir geschafft, was aber auch Hand in Hand damit einhergeht, dass die nächste Tour größer sein muss. Wir müssen mehr Leute in die Hallen bekommen …

Ihr müsst dann größere Hallen bespielen. Das LKA dürfte dann zu klein sein, denn die Kapazitätsgrenze liegt nun mal bei 1.500 Leuten und der heutige Abend ist ja ausverkauft.

Jim: Die Halle ist jetzt zum zweiten Mal ausverkauft, wir müssen also mal schauen, ob wir auf der nächsten Tour wieder im LKA sind oder wir etwas Anderes finden.

Wie laufen eigentlich eure Vorverkäufe für eure Konzerte außerhalb Deutschlands? Da habe ich bisher noch keinen Hinweis gefunden, dass eine dieser Shows ausverkauft wäre.

Jim: Da ist ein ganz klares Gefälle zu Deutschland. Über die Jahre haben wir natürlich am meisten in Deutschland gespielt, so dass klar ist, dass hier am meisten los ist. Aber das gilt es in der Zukunft zu ändern, wobei wir mit Metal Blade ein Hammer Team haben, wodurch wir deutlich internationaler aufgestellt sind. Die POWERWOLF-Tour haben wir extra gemacht, um im Ausland zu spielen. Im Oktober geht es nach Frankreich, England, Spanien. Dass das noch nicht so weit ist wie in Deutschland, ist ja klar. Das Gute ist aber auch, dass es in Deutschland einfach geil ist zu touren. Hier hast du die besten Clubs und hier fehlt es eigentlich an nichts.

Ich bin ja heute extra aus dem Ruhrgebiet hergekommen. Das Ruhrgebiet wird ja auch gerne als der zentrale Schmelztiegel des Heavy Metal bezeichnet, demzufolge gibt es auch etliche Locations, in denen im Ruhrgebiet gespielt werden kann. Egal, ob in Dortmund, Bochum oder Essen, alles ist relativ schnell und gut zu erreichen.

Jim: Ein Schmelztiegel ist aber auch nicht immer einfach. Nimm zum Beispiel Berlin, da haben es Bands schon schwer. Es folgt die nächste Unterbrechung, wobei ich zumindest gefragt werde, ob ich schon mit dem Interview durch sei. Währenddessen kommt auch der Tourmanager und hält mir zwei Finger mit dem Hinweis hoch, dass noch ein Interview anstehen würde. Weiter geht's.

Jim: Stuttgart ist immer total stressig!

Kein Thema, ich freu mich für euch.

Jim: Schmelztiegel! Wenn es ein großes Angebot gibt, wird es für Bands schwer, gute Zahlen zu bekommen. Die gute Nachricht, Berlin hat für uns gut funktioniert. imgright

Kommen wir zu einem Song von euch, nämlich Mit 'Hashtag Your Life'. Ihr habt einen Song darüber geschrieben, dass die Leute nur noch am Handy hängen und alles festhalten und posten, was sie gerade machen. Hannes hatte 2016 in Dortmund angesagt, dass "es nicht cool" sei, wenn ständig gefilmt und fotografiert wird. Mir geht es mittlerweile auch schon auf den Sack, wenn mein Blick zur Bühne ständig von einem hochgehaltenen Handy eingeschränkt wird. Euch nervt das sicherlich auch, aber diese Unsitte zu stoppen, ist heute sicherlich nicht mehr möglich, oder?

Jim: Auf jeden Fall. Es wird irgendwann kommen – und auf den Tag freue ich mich -, dass es Störsender gibt und die Handys gar nicht funktionieren und die Leute merken, dass es viel geiler ist, wenn man nur guckt.

Ich will ja eigentlich auch die Band sehen und nicht immer nur durch irgendwelchen kleinen Bildschirme schauen oder gestört werden.

Jim: Aber ich muss auch sagen, obwohl wir diese Parole nicht mehr rausgeben, dass ich das Gefühl habe, dass es deutlich besser geworden ist.

Ich kann das nicht bestätigen, ich habe vielmehr das Gefühl, jeder müsste irgendwas aufnehmen und minutenlang aufzeichnen, obwohl die Qualität eigentlich ziemlich mies ist.

Jim: Wir machen das ja auch mal gerne, ein paar Eindrücke einzufangen. Ich habe dazu neulich ein gutes Zitat gelesen, dass die Leute lieber zeigen, dass sie irgendwo sind, anstatt einfach nur da zu sein.

Stimmt, anstatt einfach nur das Konzert zu genießen.

Jim: Und zuhause gucken sie sich dann ein verwackeltes, qualitativ schlechtes Video an.

Vielleicht kommt jetzt eine blöde Frage. AVANTASIA haben es in Sachen ESC ja vorgemacht. Wäre das für euch vielleicht auch mal ein Thema, denn qualitativ habt ihr sicherlich das Zeug dazu, sowas auch mal durchzuziehen.

Jim: Würde ich nicht nein sagen. Es ist immer nur die Frage …

Der Zuschauer bleibt natürlich unberechenbar ...

Jim: Ja, das ist natürlich so ein Ding. Und ich kenne es von LORDI, die wir über die Jahre jetzt auch gut kennengelernt haben und die hätten es nicht mehr gemacht.

Wobei, ich fand das damals so geil …

Jim: Ich fand das auch so geil und hab das sowas von gefeiert, zumal die Nummer 'Hard Rock Hallelujah' auch heute noch tierisch ist. Wenn ich das entscheiden dürfte, dann würde ich RAMMSTEIN schicken, die würden das zappzerapp mal ganz schnell gewinnen. Die brauchen sich das aber nicht geben.

Ich habe nur noch zwei Minuten, daher bitte noch ein kurzes Statement, was euch zum POWERWOLF-Cover von 'Let There Be Night' animiert hat?

Jim: Wir kennen POWERWOLF schon länger, schon vor der Tour und es sind nette Jungs. Wir haben also lieb gefragt und durften uns einen Song aussuchen und haben 'Let There Be Night' gewählt. Ich glaube, wir haben dem Song einen guten Stempel draufgedrückt.

Dann habe ich noch eine Duett-Aufnahme von Hannes mit Jennifer von BEYOND THE BLACK gefunden. Wie kam es 2014 in Wacken zum Duett zu 'Pearl In A World Of Dirt'?

Jim: Es ist so, dass Hannes und ich als Produzent und Songwriter bei Elephant Music arbeiten und auch in Flensburg wohnen. Dadurch arbeiten wir auch mit Künstlern wie BEYOND THE BLACK zusammen und arbeiten mit ihnen von Anfang an zusammen. Dementsprechend ist das auch eine enge Freundschaft und wenn die im Studio sind, dann wird auch mal zusammen gejammt und so.

Zum Abschluss noch ein paar Worte von dir an eure Fans und unsere Leser?

Jim: Ja, gerne. An erster Stelle möchte ich mich für den ganzen Support bei denen bedanken, die noch Platten kaufen, das ist so geil. Ich habe mir übrigens jetzt ganz frisch einen Plattenspieler gekauft und fange wieder an, mir richtige Schallplatten zu kaufen. An alle, die auf Live-Shows gehen, ich finde es hammermäßig. Ich würde gerne öfters auf Live-Shows gehen, nur schaffe ich es leider beruflich kaum noch. Ich finde es aber Hammer, dass es so viel Support für echte, handgemachte Musik gibt und ich will nur alle herzlich dazu einladen, auf eine unserer Shows vorbeizukommen, zieht es euch rein und habt einfach eine gute Zeit und Spaß. Vergesst den Alltag!

Vielen Dank, Jim! ich komme gerne wieder und supporte. Dir und euch nachher viel Spaß bei eurem Auftritt!

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