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Die besten Album-Triples der Rock- und Metal-Geschichte, Teil 2: MAX CAVALERA

Ein Artikel von Damage Case vom 20.02.2020 (9985 mal gelesen)

Prolog


Kollege Blaze Breeg hat mit der Idee für diese Special-Reihe etwas geschafft, was bei all den Retrospektiven, History-Specials etc. beinahe nicht mehr möglich war: Eine weitere Sichtweise auf die Geschichte unserer geliebten Musik. Die Konzentration auf eine bestimmte Hochphase eines Künstlers oder einer Band, dieser historisch meist kurze Zeitraum, in dem die Muse besonders intensiv geküsst hat - das zu analysieren und festzuhalten, ist eine besonders spannende Aufgabe und schafft tatsächlich noch nicht bereits tausendmal erzählte Geschichten.

Der zweite Teil dieser Reihe soll bewusst nicht über das besondere und für den Autoren namensgebende Albentriple von MOTÖRHEAD referieren, also die Meilensteine "Overkill", "Bomber" und "Ace Of Spades" von 1979/80, denn auch deren Geschichte ist auserzählt. Nein, wir schauen diesmal bandübergreifend auf die bewegte Geschichte von Max Cavalera und was er in der ersten Hälfte der 1990er getrieben hat. Und das war so einiges. Vorhang auf für:

Max Cavalera


Mit der von ihm und seinem Bruder Igor 1984 in Belo Horizonte, Brasilien, gegründeten Band SEPULTURA hat er unbestritten Metal-Geschichte geschrieben. Anfangs noch als Krach-Band aus dem Busch (zu Unrecht) in den europäischen Printmedien verlacht, konnten die Jungs, ab 1987 im klassischen Line-up mit Paulo Jr. (Bass) und Andreas Kisser (Gitarre) spätestens mit ihrem dritten Album "Beneath The Remains" (1989) international für Aufsehen sorgen. Blitzsauberer, tighter Thrash Metal mit latenten Death Metal-Anleihen, dafür aber mittlerweile komplett satansfrei, begeisterte die Fans weltweit und der Thrash-Thron von SLAYER wackelte gewaltig. In den beginnenden 1990ern war die Spannung hoch, wie SEPULTURA auf ihrem vierten Werk brillieren würden. Und so startete 1991 der Auftakt zu einem legendären Albumtriple im Leben des Max Cavalera.

"Arise" (25.März 1991)
Songtitel: 9
Spieldauer: 42:33
Mittlerweile mehrfach neu aufgelegt in mehreren Special-Versionen mit Bonustracks.

Line-up:
Max Cavalera (Gesang, Gitarre)
Igor Cavalera (Schlagzeug)
Paulo Jr. (Bass)
Andreas Kisser (Gitarre)

Singles und EPs:
'Under Siege'
'Arise'
'Dead Embryonic Cells'
"Third World Posse"

Aufgenommen von Death-Metal-Gott Scott Burns im legendären Morrisound Studio in Tampa, Florida, stellt "Arise" einerseits eine logische und qualitative Weiterentwicklung seines Vorgängers dar, Songs wie der Titeltrack, 'Dead Embryonic Cells', 'Desperate Cry', 'Under Siege' und 'Infected Voice' entwickelten sich im Lauf der Jahrzehnte zu absoluten Genre-Klassikern. Andererseits klingen im Intro von 'Altered State' erstmals die brasilianischen Wurzeln deutlich hörbar heraus und die Death-Metal-Elemente treten zugunsten eines klassischen Thrash-Riffings immer weiter in den Hintergrund. SEPULTURA wurden 1991 deutlich mutiger und ihr Songwriting deutlich variabler, bis zu zwanzig Riffs pro Song sind auf "Arise" keine Seltenheit. Nicht umsonst stellt der vierte Streich aus Belo Horizonte für viele Fans den absoluten Höhepunkt im Bandschaffen dar. Unvergessen ist auch das kultige Video zu 'Arise', das im Headbangers Ball sonntagnachts auf MTV über Jahre in High Rotation lief, ein weiterer Beleg dafür, dass spätestens ab 1991 im (Thrash) Metal kein Weg mehr an SEPULTURA vorbeiführte. Die Zeit war reif, sie hatten ihr Momentum und auf ausgedehnter Tour wurde 1991/92 die Ernte eingefahren, indem der neue Status zementiert wurde. Unter anderem teilten sie die Bühne auf ihrer Headlinertouren mit SADUS, OBITUARY, SACRED REICH, HEATHEN und eröffneten für ALICE IN CHAINS, OZZY OSBOURNE, HELMET und MINISTRY. Weltweite Verkaufszahlen von bis heute über eine Million und die dazugehörigen Charteinstiege zeugen hiervon. 1992 ehelichte Max die Bandmanagerin Gloria Bujnowski. Nach den ausgiebigen Touraktivitäten, die 1992 auch mit dem Video "Under Siege (Live In Barcelona)" dokumentiert wurde, gingen SEPULTURA Ende 1992 wieder ins Studio um einen neues Album einzuspielen.


"Chaos A.D." (02.September 1993)
Songtitel: 12
Spieldauer: 46:56
Mittlerweile ebenfalls mehrfach neu aufgelegt in mehreren Special-Versionen mit Bonustracks.

Line-up:
Max Cavalera (Gesang, Gitarre)
Igor Cavalera (Schlagzeug)
Paulo Jr. (Bass)
Andreas Kisser (Gitarre)

Singles und EPs:
'Territory'
'Refuse/Resist'
'Slave New World'

Die Albumaufnahmen fanden 1992/93 unter der Regie von Andy Wallace, der hievor den Zuschlag vor Al Jourgensen erhielt, im britischen Wales statt. Death Metal findet auf SEPULTURAs fünften Opus nicht mehr statt. Die Songs wurden wieder simpler arrangiert und Einflüsse von Industrial, Hardcore und Groove kamen hinzu - sowie erstmals Tribal Drums. Erstmals seit "Beneath The Remails" stieß ein Album bei den Fans nicht auf ungeteilte Zuneigung. Konnte mit "Chaos A.D." zwar der Status der Band insgesamt vergrößert werden, waren einige Altfans enttäuscht ob der zuvor genannten neuen Elemente im Bandsound. So wählten beispielsweise die Leser des Rock Hard-Magazins "Chaos A.D." einerseits zum Album des Jahres und andererseits in der Wertung der "Enttäuschung des Jahres" auf Platz sechs. An den Songs an sich kann es nicht liegen, denn "Chaos A.D." ist prall gefüllt mit Weltklassesongs und kommt ohne nennenswerte Hänger über die Runden. Vielmehr zeigt sich spätestens auf diesem Album, dass Max & Co. nichts auf Erwartungshaltugen geben, sondern nur ihrem kreativen Weg folgen. Alleine das Eröffnungstriple 'Refuse/Resist' (eingeleitet von einer Ultraschallaufnahme von Max's damals ungeboreren Sohn Zion), 'Territory' und 'Slave New World' ist für sich genommen schon ein Klassiker und lässt die Nackenmuskeln beim Bangen ordentlich trainieren. Eine interessante Parallele zu "Arise" im Übrigen, da dort auch die ersten drei Songs ordentlich Gas geben und perfekt miteinander harmonieren. Mit 'Kaiowas' ist ein interessantes Akustik-Experiment enthalten, der Vorbote für "Roots", und insbesondere die beiden Groove-Monster "Amen" und "Nomad" sind sowas von 1993 wie es damals nur die brennenden Mülltonne in einem BIOHAZARD-Video sein konnte. Deren Sänger Evan Seinfeld tritt auch als Gastshouter in 'Slave New World' in Erscheinung. Viel prägender und bekannter ist jedoch Jello Biafras Textbeitrag zum punklastigen Zweiminüter 'Biotech Is Godzilla'. Nicht unerwähnt bleiben soll das famose NEW MODEL ARMY-Cover 'The Hunt', das sich perfekt in den Albumkontext einfügt, das vor politischen und sozialkritischen Texten zu bersten droht und SEPULTURAs Ruf als politische Band der 1990er festigt. Die Fülle an Themen reicht soweit, dass an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden soll, sondern auf die zahlreichen im Netz verfügbaren Reviews verwiesen wird. Im Oktober 1993 startete die Europa-Tour mit PARADISE LOST im Vorprogramm und führte 1994 unter anderem mit PANTERA als Co-Headliner nach Nordamerika. In kommerzieller Hinsicht stellt "Chaos A.D." eine weitere Steigerung dar, so wurden bis heute circa eineinhalb Millionen Kopien umgesetzt, zahlreiche internationale Gold-Auszeichnungen verliehen und 'Territory' sogar mit dem MTV Video Music Award ausgezeichnet.

"Point Blank" (08.März 1994)
Songtitel: 13
Spieldauer: 62:33

Line-up:
Max Cavalera (Gesang, Gitarre, Bass, Samples)
Alex Newport (Gesang, Gitarre, Bass, Samples)

Trotz der laufenden Promo-Aktivitäten zu "Chaos A.D." schien Max Cavalera langweilig zu sein, denn er gründete mit dem Engländer Alex Newport von FUDGE TUNNEL, interessanterweise sein angeheirateter Schwiegersohn, das kurzlebige Projekt NAILBOMB. Und so vergruben sich die beiden im Studio, suchten Samples zusammen, brüllten ihre Messages in Mikros, ließen einige Gäste Beiträge beisteuern und programmierten für gut die Hälfte der Songs das Schlagzeug - bis heute ein Sakrileg für Anhänger des echten Stahls. Grob umschreiben kann man das Album als Thrash-Riffs, wie man sie von "Chaos A.D." kennt und liebt ('Wasting Away', 'Vai Toma no Cú', 'Cockroaches'), kombiniert mit Samples und eingebettet in den damals angesagten Industrial-Sound der Marke MINISTRY, GODFLESH, PRONG und TREPONEM PAL. "Point Blank" ist dennoch ein sehr songdienliches Crossover-Album geworden, das auch 2020, trotz klarer 1990er Referenz, noch frisch klingt. Das düstere 'Sum Of Your Achievements' bleibt bis heute unerreicht und 'World Of Shit' groovt jeden New Metal in Grund und Boden. Nur selten schweifen die Songs in Krachorgien ab und der Mut von Max Cavalera, als bekannter Thrash-Metal-Leader ein solch genrefremdes Experiment zu wagen, war für die damalige Zeit ein beachtlicher Schritt. Belohnt wurde dieser mit medialer Aufmerksamkeit und einem bis heute für sich stehenden Referenzwerk für thrashigen Industrialsound, das mit ein wenig Fantasie anstelle des Tribal-Experiments "Roots" auch der Nachfolger von "Chaos A.D." und die stilisische Zukunft von SEPULTURA hätte sein können. Die damaligen Rezensionen waren ebenfalls durch die Bank wohlwollend und erkannten die Qualität sowie die unverfälschte Attitüde des Projekts an. Beim einzigen nennenswerten Live-Auftritt auf dem Dynamo 1995, der mit Unterstützung der SEPULTURA-Bandkollegen und Klangtüftler Rhys Fulber, Dino Cazares von FEAR FACTORY und Evan von BIOHAZARD stattfand, zerlegte das Duo die Bühne und begeistere die über 100.000 Zuschauer. Dokumentiert wurde dieses Ereignis mit dem Live-Album "Proud To Commit Commercial Suicide". Danach war dann auch schon wieder Schicht im Hause NAILBOMB. 2017 versuchte sich Max nochmals an einer Live-Komplettaufführung von "Point Blank", diesmal unterstützt von seiner Band SOULFLY und ohne Beteiligung von Alex Newport.


Epilog


Drei Alben in drei Jahren, und dreimal oberhalb der Neun-Punkte-Marke. Heutzutage, in Zeiten von mindestens Dreijahreszyklen zwischen zwei Alben völlig undenkbar. Und manchmal scheint es so, als hätte Max sein kreatives Pulver, sein Charisma und alles was ihn als Bandleader auszeichnet in den Jahren 1989 bis 1996 unwiederbringlich verpulvert. Denn im Dezember 1996 trennten sich dann Max Cavalera und SEPULTURA auf eher unrühmliche Art und Weise. Mitten auf der Tour zum Album "Roots" kam es zum Streit über Bandmanagerin und Max's Ehefrau Gloria. Die übrigen Bandmitglieder wollten die Trennung von ihr, was den Bandchef dazu veranlasste die von ihm gegründeten SEPULTURA zu verlassen. Ohne große Pause rief er daraufhin seine Solo-Kapelle SOULFLY ins Leben, die mit ihrem selbstbetitelten Albumeinstand 1998 zunächst den damaligen SEPULUTRA-Kurs von triballastigem Metal fortführte. Mit dem Nachfolger "Primitive" (2000) wurde jedoch ein deutlicher Schwenk hin zu damals hippen New Metal vorgenommen, der erst mit den späteren Werken ab 2010 wieder komplett korrigiert wurde. Heute konzentriert sich Max neben SOULFLY auf seine Band CAVALERA CONSPIRACY, die er 2007 mit seinem Bruder Igor gründete und die ihm eine Spielwiese für klassisch angehauchten Krach-Thrash bietet als seine Stammband, bei der er immer noch jedes Experiment wagt, das ihm in den Sinn kommt. An die kommerziellen Erfolge und kreativen Meilensteine der 1990er mit SEPULTURA und NAILBOMB konnte Max Cavalera jedoch bisher nicht wieder anknüpfen. Und so folgt ihm zwar bei jeder neuen Veröffentlichung eine treue Gefolgschaft, zu der sich auch der Rezensent zählt, um dann doch jedesmal ein wenig enntäuscht zu sein, weil "es" einfach nicht mehr da ist.

Eine Wiedervereinigung von SEPULTURA oder NAILBOMB schließt Max, wie auch seine ehemaligen Bandkollegen, hingegen seit bald 25 Jahren kategorisch aus. Diese Konsequenz, der lukrativen Verlockung zu widerstehen, nötigt Respekt ab.

Diskografie von Max Cavalera auf Metal-Archives

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