KISS - Monster

Review von Elvis vom 12.10.2012 (6581 mal gelesen)
KISS - Monster An sich gibt es nicht mehr viel, was man über KISS noch Neues schreiben könnte - wir reden nicht umsonst von der heißesten Band der Welt und der erfolgreichsten Band, die die USA je hervor gebracht haben. Mag man von den maskierten Rockern halten, was man jeweils will (an sich gibt es ja nicht viel anderes als glühende Verehrung oder blanke Ablehnung der wohl auch Merchandise-technisch größten Band des Planeten), die komplette harte Musikszene seit Mitte der Siebziger wäre eine komplett andere ohne das Auftreten der New Yorker mit dem bedingungslosen Willen und der Gewissheit des Erfolges. Nach einer Geschichte mit höchst wechselvollen Höhen und Tiefen kam es 2009 fast schon unerwartet zu einem neuen Studioalbum in Gestalt des richtig starken "Sonic Boom". Der Erfolg gab KISS recht, und es ist sicherlich nicht zu viel behauptet, zu sagen, dass die beiden Bandköpfe Paul Stanley und Gene Simmons mit Eric Singer und Tommy Thayer zwei konstante und enorm verlässliche Mitstreiter gefunden haben, die live und auch auf Platte absolut überzeugen können. KISS sind schon seit 2008 so aktiv wie lange nicht mehr und mit ein bisschen Verzögerung gibt es nun knapp vor dem 40jährigen Band-Jubiläum mit "Monster" das 20. Album der heißesten Band der Welt käuflich zu erwerben. Mit Vorschusslorbeeren ist man wie gewohnt nicht kleinlich gewesen, dennoch hat man bei einer solch reichhaltigen und abwechslungsreichen Geschichte natürlich enorme Lorbeeren und Meriten, an denen man sich messen lassen muss, auf dem Kerbholz. Kann "Monster" also Zähne zeigen und an alte und neuere Erfolge anknüpfen?

KISS haben "Monster" im Vorfeld vollmundig als das fehlende Bindeglied zwischen "Destroyer" und "Revenge" beschrieben. Wie bereits bei "Sonic Boom" hat man auf außenstehende Hilfe so weit nur möglich verzichtet, Paul Stanley hat auch wieder selbst produziert (und das wiederum richtig gut!). Zwölf Songs warten also auf die hungrige Gemeinde der KISS Army, plus ein Bonus Track bei der iTunes-Version und Sonder-Varianten des Albums. Der Opener 'Hell Of Hallelujah' war ja bereits seit Anfang Juli als Single bekannt. Die Livepremiere erfuhr der Song beim Charity-Gig in London am 4. Juli und fügte sich nahtlos ins Gesamtbild ein. Mit jedem Hören wächst der Song und ist letztlich auf alle Fälle ein starkes Stück KISStory, das mir deutlich besser gefällt als das "nur" gute 'Modern Day Delilah' von "Sonic Boom". 'Wall Of Sound' ist ein hübscher Stampfer, bei dem Gene sich das erste mal auf "Monster" austoben darf. Generell fällt auf, dass Gene zum einen eine allgemein sehr beachtliche Gesangsperformance an den Tag legt (die immerhin 63 Lenze hört man ihm nicht an) und andererseits sein Bass-Spiel schon immer sträflich unterbewertet war, wie das neue Album wieder einmal zeigt. Das gibt gleich eine Extrazunge für den Mann, der erst vor kurzer Zeit seine Shannon Tweed nach über einem Vierteljahrhundert und zwei Kindern ehelichte und angeblich brav geworden ist. In 'Freak' beschreibt Paul mit einem ziemlichen Grower, was es heißt, anders zu sein als allzu viele andere Menschen. 'Back To The Stone Age' kann wiederum nur von Gene kommen. Der prototypische Song des Demons könnte so auch ohne große Änderungen auf "Revenge" stehen. Schon hier fällt auf, dass einige der Songs schon eher in Richtung der Non-Make-Up-Phase in den 80ern gehen und nicht so stark wie "Sonic Boom" auf den Sound der ersten Dekade setzen. Eher einen 70er-Einschlag hat jedoch 'Shout Mercy', bei dem Paul wieder an der Reihe ist. Hier gibt es ziemlich klassischen KISS-Rock & Roll zu hören. 'Long Way Down' ist ebenfalls ein zeitloser Song, bei dem Paul wiederum am Start ist. 'Eat Your Heart Out' punktet mit einem a-cappella-Anfang und ist ein von gemeinschaftlichen Chören getragener Song, bei dem Gene ansonsten die Lead Vocals in der Hand hat. Der Stempel des Demons ist klar zu spüren, aber genau so macht es auch Spaß! Allgemein spürt man zu fast jeder Sekunde, dass KISS auch nach fast vier Jahrzehnten vor allem mit Spaß an der Sache dabei sind. Die düsterste Seite des Demons gibt es zweifellos bei 'The Devil Is Me' zu hören, bei dem Gene sich richtig austoben kann. Wie schon bei "Sonic Boom" haben sowohl Tommy als auch Eric je einen Song mit den Lead Vocals spendiert bekommen, was ja auch nur in der guten Tradition des Original-Line Ups steht. Bei Tommy ist es 'Outta This World', der mir persönlich besser gefällt als 'When Lightning Strikes' beim letzten Album. Sicherlich hört man hier Anleihen an Ace heraus und auf eine gewisse Weise ist hier das Spaceman-Klischee bedient. Trotzdem, der Song erfüllt jedenfalls alle meine Erwartungen und man kann Mr. Thayer auch nicht nachsagen, dass er seinen Job nicht absolut prima machen würde. Insgesamt soll ein Spaceman-Song ja auch nach dem Charakter klingen, oder? Eric Singer folgt gleich hinterher und bringt irgendwie das Gesamtmotto auf den Punkt, wenn er 'All For The Love Of Rock & Roll' beschwört. Es handelt sich dabei um eine Hymne in bester KISS-Tradition, die eine tadellose Gesangleistung des langjährigen Drummers bietet und ganz klar eine der besten Nummern des ganzen "Monster"-Albums ist. Live sollte der Song so richtig abgehen, es wäre auch höchst verwunderlich und töricht, wenn er nicht in der Set List der Album-Tour landen wird. 'Take Me Down Below' spielt in bekannter KISS-Tradition mit Zweideutigkeiten, während Gene und Paul sich am Mikrofon abwechseln. Der Groove des Songs ist ebenso exzellent wie Genes Basslinie, und auch nach diversen Durchläufen ist und bleibt es einer meiner Favoriten. 'Last Chance' ist ein weiterer guter Song, der nicht ganz mit 'Say Yeah' (m.E. DER Hit auf "Sonic Boom"!) mithalten kann, aber einen würdigen Abschluss für ein sehr gutes Album bildet. Fans können bei "Monster" zwischen der Standard-Version im Jewelcase wählen oder zur Special Edition mit 3D-Wackelbild greifen. Den minimalen Aufpreis ist die Special Edition meines Erachtens wert. In der bekannten Tradition gibt es in Deutschland offiziell nur die Version mit dem altbekannten angepassten - und sagen wir es nochmals, im Vergleich zum Original ziemlich öden - deutschen Logo erhältlich. Gutsortierte Händler haben jedoch mitunter auch die Import-Variante vorrätig, ansonsten hilft natürlich das Internet. Musikalisch gibt's natürlich genau dasselbe geboten.

Was ist nun also von "Monster" zu halten? Die Ankündigung, hier eine Brücke zwischen "Destroyer" und "Revenge" schlagen zu wollen, war zweifellos großer Natur, aber insbesondere von "Revenge" sind hier deutliche Vibes zu spüren. Ansonsten ist der Sound recht hart und mit einem deutlichen Einschlag in Richtung 80er, ohne dabei jedwede Keyboards aufzufahren. Auffällig ist auch, dass mir persönlich die Gene-Songs insgesamt einen deutlichen Tick besser gefallen als die Paul-Songs, was eher ungewöhnlich ist, vielleicht aber auch der Beleg, dass Gene sich 2012 deutlich ins Zeug gelegt hat. Ob nun aufgrund der zwischenzeitlichen Stimmproblemen bei Paul oder auch aufgrund einer neu erwachten Motivation, Gene ist 2012 eine treibende muskalische Kraft bei KISS. Das war zuletzt auch bei Konzerten zu spüren, wo Gene letztlich immer mehr Songs übernommen hat, ob nun zur Schonung der Stimme des Starchild oder einfach nur, weil er den Bock darauf hatte. "Monster" ist ob der Gene-Lastigkeit des Bass-Monsters an sich auch ein passender Titel für das Album. Ein weiterer elementarer Punkt bei "Monster" ist zweifellos die saubere und prägnante Arbeit, die Tommy an der Gitarre abliefert. Ist "Monster" letztlich besser als "Sonic Boom"? Schwer zu sagen, um ehrlich zu sein. Die absoluten Überhits wie eben 'Say Yeah' gibt es nicht zwangsläufig (am ehesten 'Hell Or Hallelujah' und 'All For The Love Of Rock & Roll'), dafür ist das komplette Album auf einem hohen Niveau und welche Band kann das schon nach fast vierzig Jahren noch von sich behaupten? Den Innovationsvogel schießen auch Gene & Co. nicht mehr ab in ihrem Alter, letztlich haben KISS offenbar einfach wieder die Freude am gemeinsamen Musizieren gefunden. Wenn das auf diesem Niveau ist, kann man nur darauf hoffen, dass angesichts des Alters der Helden noch wenigstens ein oder zwei Outputs folgen werden - auf diesem Niveau ist das fast zwingend. Freuen wir uns also auf die "Monster"-Tour, die natürlich alles Bisherige wegpusten wird. Kniet also nieder, bevor das "Monster" zuschnappt oder kauft das Album einfach - eine klare Empfehlung für alle KISS-Fans und Rock-Fans allgemein.

Gesamtwertung: 10.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Hell Or Hallelujah (4:07)
02. Wall Of Sound (2:55)
03. Freak (3:35)
04. Back To The Stone Age (3:01)
05. Shout Mercy (4:04)
06. Long Way Down (3:51)
07. Eat Your Heart Out (4:06)
08. The Devil Is Me (3:41)
09. Outta This World (4:29)
10. All For The Love Of Rock & Roll (3:21)
11. Take Me Down Below (3:24)
12. Last Chance (3:06)
Band Website: www.kissonline.com
Medium: CD
Spieldauer: 43:38 Minuten
VÖ: 05.10.2012

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Hey Elvis, hab Dich ja noch nicht persönlich kennengelernt, aber es wird höchste Zeit. Dein Review spricht mir aus der Seele und wenn ich es geschrieben hätte, dann wären das auch 10 Punkte geworden aus den gleichen Gründen, die Du angeführt hast. Darüber hinaus ist Dein Review so geil geschrieben, dass ich mir jetzt sofort das Monster auf den Plattenteller lege und dann...gib ihm! Hau rein, freu mich, Dich hoffentlich bald mal kennezulernen. LG! Harry
10/10   (15.10.2012 von Hirsch666)

Ja, ein bisschen Fanboy ist da an ein paar Stellen dabei ;-) Im Vergleich zu anderen Bands mit der Zeit und Historie pustet "Monster" jedenfalls die Konkurrenz weitestgehend weg. Nach der langen Zeit so was rauszuhauen, ist schon beachtlich. Da ich auch einen ziemlichen Hang zur Phase ohne Make-Up habe, kommt das bei mir natürlich noch einen Tick besser an, wenn es nicht arg zu sehr nach der ganz klassischen Phase der Band klingt. Nach fast 40 Jahren so locker drauf los zu spielen, muss man erst mal hinbekommen...
(14.10.2012 von Elvis)

War ja klar, Fanboy! ;-) Tolle Scheibe, muss man wirklich sagen. Gefällt mir im Vergleich zu "Sonic Boom" noch besser und macht durchgehend Spaß.
9/10   (14.10.2012 von Jukebox)

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