Speedy - Much Too Young To Rock'n'Roll-The Complete Recordings

Review von baarikärpänen vom 31.08.2021 (4413 mal gelesen)
Speedy - Much Too Young To Rock'n'Roll-The Complete Recordings Das Schatzkästchen der frühen deutschen Hard Rock- und Metal-Szene wird ein weiteres Mal im Hause Golden Core geöffnet. Und eines muss man dem Label ja lassen, so manche vergessene Perle wird nach Jahrzehnten endlich wiederentdeckt oder erfährt endlich die Aufmerksamkeit, die damals einfach nicht erreicht wurde. Klar sein sollte, dass man diese Veröffentlichungen nicht mit heutigen Maßstäben bewerten darf, sondern immer im Kontext mit der Zeit der Entstehung sehen muss. Aber letztendlich sind wir alle nur Menschen, die es sich nur zu gerne leicht machen. Deshab fallen die ersten Urteile über diese Wiederveröffentlichungen, vor allem die jüngerer Semester, sehr oft vernichtend aus. File under "Das kann weg!" Genau das ist aber megaschade. Wenn auch so einiges aus der damaligen Zeit musikalisch gesehen zweite Wahl war, so darf man doch nie vergessen, dass die beteiligten Musiker mit jeder Menge Herzblut bei der Sache waren, was den ein oder anderen Fauxpas in Sachen Qualität wieder relativiert beziehungsweise in der heutigen Zeit in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt. Warum diese einleitenden Worte? Ganz einfach, denn mit der Scheibe "Much Too Young To Rock'n'Roll" der Heidelberger Band SPEEDY wird der geneigte Hörer noch mehr gefordert, die Scheuklappen abzunehmen.

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In den 70ern waren die schottischen Teeny-Schwärme BAY CITY ROLLERS mit ihrem weichgespülten Rock das nächste große Ding. Kein Wunder also, wenn die deutsche Musikindustrie nach einer einheimischen Antwort suchte und die in Form der West-Berliner THE TEENS auch fand. Die waren zwischen 1978 und 1982 fast allgegenwärtig in der Bravo, dem damaligen größten Jugendmagazin. Genau dort arbeitete schon seit Jahren der Fotograf und ehemalige Musiker Didi Zill, der die Berliner sicher mehr als einmal abgelichtet hat. Besagter Didi Zill stieß um 1980 auf SPEEDY, eine Band, die von den Schülern Jürgen Dittler, Oliver Maier, Hilmar Moser und Ralf Kurz kurz vorher gegründet wurde. Die waren zwar wie die West-Berliner THE TEENS ebenfalls blutjung, verfolgten aber einen musikalisch vollkommen anderen Ansatz, der deutlich härter war. Gut, nach heutigen Gesichtspunkten konnte man damit keine (metallische) Maus hinterm Ofen hervorlocken, aber wir sprechen hier vom Jahr 1980. Und zu dieser Zeit galten die Aussies AC/DC in gutbürgerlichen deutschen Fernseh-Haushalten als das abgrundtief Böse, welches die arme Jugend in den Abgrund ziehen wollte, die NWoBHM war noch gar nicht großartig über den Ärmelkanal geschwappt. Didi Zill produzierte noch im selben Jahr eine erste Single, 'Glad All Over', im Original von THE DAVE CLARK FIVE, gefolgt von der zweiten Single 'Willy Is Back' (dass SPEEDY mit diesem Song Teil der 1982er Softporno-Klamotte "Zärtlich aber frech wie Oskar" waren, darüber decken wir das Mäntelchen des Schweigens). Mit 'Willy Is Back' im Gepäck kam dann auch der erste Auftritt in der damaligen Kultsendung "Ilja Richter's Disco". Und weil es gerade so gut lief, kam folgerichtig schon kurze Zeit später das erste Album "Much Too Young To Rock'n'Roll" auf den Markt. Mit dem Titelsong, ebenfalls auf Single ausgekoppelt folgten weitere Auftritte in der "Disco". Wesentlich interessanter aber ist 'Fight Like A Fighter', die B-Seite der Single. Im Gegensatz zur A-Seite, die doch recht zahnlosen Rock bot, war 'Fight Like A Fighter' ein Song der härtetechnisch knapp unter den Songs von "I'm A Rebel" (ACCEPT) lag.

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Und dann kam tatsächlich die Anfrage eines amerikanischen Managements, ob SPEEDY interessiert wären, als Support für die gerade durchstartenden DEF LEPPARD auf Tour zu gehen. Problem aber, dass alle Mitglieder der Band noch minderjährig waren, also die Zustimmung ihrer Eltern benötigten. Genau die waren von diesem Angebot wenig begeistert und machten einen Strich durch die Pläne. Leider war das auch das Ende von SPEEDY. Immerhin erschien 1982 unter dem neuen Namen SPEED noch eine weitere Single, ein Cover von FREE's 'All right Now' mit dem bärenstarken heavy Rocker 'Hurt My Feelings' auf der B-Seite. Schwer zu sagen, was SPEEDY hätten erreichen können, wenn sie eine weitere Scheibe veröffentlicht hätten mit Songs in der Qualität von 'Fight Like A Fighter' und 'Hurt My Feelings'. Fakt ist aber, dass mit "Much Too Young To Rock'n'Roll" erstmals wirklich alle Songs von SPEEDY auf einem Album erscheinen, bearbeitet von Patrick Engel, remastert von Neudi. Härterekorde darf man von den Songs der ursprünglichen LP nicht erwarten, sieht man mal von 'Provocation Is Everywhere' ab. Ein Stück wie 'We Don't Wanna Go Home' könnte aber so manchen, der Anfang der 80er mit der Schulklasse auf Klassenfahrt in der Jugenherberge war, an die dortigen Disco-Abende erinnern, als alle im Kreis saßen und brav den Takt von QUEEN's 'We Will Rock You' mitgestampft und -geklatscht haben. Erinnert mich fatal daran. "Kuriosere Platten als "Much Too Young To Rock´n´Roll" sind mir kaum untergekommen!" (Aus dem Buch Heavy Metal Made in Germany, Iron Pages 1998). Das bringt es eigentlich ganz gut auf den Punkt. Genau deshalb macht eine Wiederveröffentlichung in der jetzigen Form auch Sinn, zumal Ex-Manager Rüdiger Eck die Liner Notes im Booklet verfasst hat und es obendrein noch rare Fotos zu bewundern gibt.

Drei der vier Musiker sind übrigens wieder unter dem Namen SPEEDY aktiv, auch wenn Corona leider die Pläne etwas durchkreuzt hat. Man darf also gespannt sein, was noch kommt. Bis dahin sei jedem, der mal wieder seine Wissenslücken ausfüllen möchte, diese Scheibe empfohlen. Von meiner Seite gibt's für dieses Stück deutscher Musikgeschichte acht Punkte, für das Gesamtpaket wohlgemerkt und immer unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte.



Gesamtwertung: 8.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Fight Like A Fighter
02. Much Too Young To Rock'n'Roll
03. We Don't Wanna Go Home
04. Highway Queen
05. Let's Have More Fun
06. Provocation Is Everywhere
07. Heroes Never Win
08. Desperation
09. Willy Is Back
10. We All Want A Better Time
11. Glad All Over (Single A-Side)
12. Lost In Dream With Marilyn (Single B-Side)
13. Hurt My Feelings (Single B-Side)
14. All Right Now (Single A-Side)
Band Website: www.facebook.com/Goldencorerecords/
Medium: CD
Spieldauer: 42:56 Minuten
VÖ: 20.08.2021

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...weil da ja auch so viele Stückzahlen verkaufen, dass das relevant wäre. Ich bin froh, dass es das Teil gibt!
(03.05.2022 von Hosenmann)

Oha, Didi! Das bedeutet wohl, dass sich Rüdiger Eck nun lebenslang "Ex-Manager" nennen muss?
(03.12.2021 von Opa Steve)

Ja liebe Freunde! Das habt ihr sehr schön geschrieben,aber ein Recht zur Veröffentlichung hat es von mir nicht gegeben.Das weiss der Herr Eck sehr genau.
(30.11.2021 von Didi Zill)

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