Amenra - De Doorn

Review von Baterista vom 06.08.2021 (5759 mal gelesen)
Amenra - De Doorn Bisher hatte ich die Belgier AMENRA kaum auf dem musikalischen Schirm. Daher spricht diese Rezension nur für sich selbst, ohne vergleichend zu früheren Werken zu sein. Ich kann sagen, dass "De Doorn" eine der krassesten und intensivsten Hörerfahrungen ist, die ich bisher so hatte.

Allein der Anfang des Openers 'Ogentroost' ist schon so langsam Spannung aufbauend, atmosphärisch dicht, beklemmend und düster wie der Beginn eines schweren und dunklen Epos. Man sieht förmlich Nebelschwaden aus nachtschwarzem Boden kriechen und fühlt die Belastungen eines harten Daseins. Gleichzeitig hat die Musik eine Art finstere Schönheit, der man sich nur schwer entziehen kann. Besonders herausfordernd, und ich möchte fast sagen polarisierend, war für mich der Wechsel zwischen den zunächst ruhig und besonnen gesprochenen Lyrics und dem dann folgenden Ausbruch an Schreien, die ich gleichzeitig furchtbar und berührend fand. Vertonte Verzweiflung, und da ich ein bisschen am Helfersyndrom leide, wollte ich am liebsten gleich mit Decke und heißem Tee herbei eilen, um den Schmerz etwas zu lindern. Ich finde das ist eine beachtliche, künstlerische Leistung wenn es Musik schafft, einen so mitzunehmen.

Diese Stimmung, die der Anfangssong bereits aufgebaut hat, zieht sich auch durch den Rest des Albums. Während 'De Dood In Bloei' eine Art Verschnaufpause darstellt, geht es mit 'De Evenmens' gleich wieder in die tragischen und belastenden Vollen. 'Het Gloren' schließlich ist eine Art Höhepunkt des Albums. Schwarzmetallische Kälte und eine Art Raserei der Langsamkeit stoppen in der Mitte plötzlich und zu akustischen Gitarrenklängen werden die Lyrics auf eindringliche Weise rezitiert. Es wirkt ein wenig wie eine intime letzte Botschaft vor der tödlichen Schlacht. Und dementsprechend dramatisch, heftig und schmerzhaft entlädt sich dann der Song im letzten Drittel.

Da ich des Flämischen nicht mächtig bin, habe ich mir den Text von 'Het Gloren' beispielhaft und gleichzeitig laienhaft via DeepL übersetzt. Erwartungsgemäß geht es nicht um Sommer, Sonne, Sonnenschein, sondern die Bürde des Daseins, Schmerz, Blut, Verzweiflung und die Einsamkeit des Lebens.

'Voor Immer' könnte dann demnach auch eine Art Grabinschrift sein. Der Song schließt das Album passend und angemessen ab. Wobei die ersten zwei Drittel ruhig und mit zart und zerbrechlich wirkendem Cleangesang zunächst etwas Aufmerksamkeit einfordern, um dann brachial das erlösende Ende einzuleiten, welches gleichzeitig ein bisschen Hoffnung anklingen lässt. Eine Art Hoffnung darauf, dass es nach dem Tod nur noch bergauf gehen kann.

Tja - als ich mir dieses Album aus Neugier aus dem Reviewtopf geholt habe, hätte ich wirklich nicht damit gerechnet welche Intensität und dunkler Lebensschmerz sich auf 47 Minuten entfalten können. Ein bisschen musste ich daran denken, dass dieses Album nicht nur Post Doom bzw. Metal sondern auch Post-Apokalypse ist. Gerade schaue ich aus dem Fenster und sehe blauen Himmel und Sonnenschein und es erscheint mir fast absurd; nach diesem musikalischen Parforceritt durch die Pein des Daseins. Da wären tiefschwarze Nacht, Kälte und Regen irgendwie angemesssener.


Gesamtwertung: 8.5 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Ogentroost
02. De Dood In Bloei
03. De Evenmens
04. Het Gloren
05. Voor Immer
Band Website:
Medium: CD
Spieldauer: 47 Minuten
VÖ: 25.06.2021

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