Interview mit Pierre (Gesang) von Helldorados

Ein Interview von Stormrider vom 05.08.2012 (6906 mal gelesen)
HELLDORADOS Sänger Pierre stand uns für ein ausführliches Interview zur Verfügung, nachdem er und die Band unsanft in Stuttgart gelandet sind. Neben dem aktuellen Album stand auch die Aufarbeitung der Bandhistorie im Fokus.

Hallo Pierre! Danke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview nimmst. Bevor wir uns Eurem selbstbetitelten Labeldebut "Helldorados" widmen, muss ich sagen, dass ich HELLDORADOS einen saucoolen Bandnamen für einen Sleaze-angehauchten Act finde. Wie kamt ihr auf den Namen HELLDORADOS?

Pierre: Hallo! Nun ja, nachdem das El Dorado der Musikindustrie weltweit zusammengebrochen ist, hat der Boogieman höchstpersönlich vier Auserwählte in die Stuttgarter Ruinen gespuckt, um den Rock 'n' Roll zu retten. Das sind dann wohl die HELLDORADOS... oder so ähnlich (lacht).

Es ist nun schon eine Weile her, dass Ihr vom Boogieman ausgespuckt wurdet, oder anders gesagt, so richtige „Newcomer“ seid ihr mit mehr als 5 Jahren auf dem Buckel ja auch nicht mehr. Kannst Du für unsere Leser bitte kurz die Bandhistorie nach Eurer Landung in den Stuttgarter Ruinen Revue passieren lassen.

Pierre: Wir sehen uns schon noch als Newcomer mit Potential. Als ich mit Gunnar (Bass) 2007 anfing, hatten wir noch jemand anderen am Schlagzeug und an der Gitarre. Wir haben damals den harten Weg der Eigenregie gewählt, das erste Album selbst produziert, es vermarktet und zwei Clubtourneen durch die Republik gestemmt. Das frisst extrem viel Zeit und Geld und die ganze Do-It-Yourself-Geschichte kannst du nur bis zu einem gewissen Grad durchziehen. Vor allem mit der Musik, die wir machen. Das ist ja schon recht kommerziell, wobei der Vergleich etwas hinkt. Jedenfalls haben wir uns den Arsch abgespielt und es war Mitte 2009 höchste Zeit, neue Songs zu schreiben und die Band weiter voran zu bringen. Das klappte aber mit den anderen zwei Bandmitgliedern nicht. Die Interessen waren einfach zu verschieden. Bei einem Sommerfestival ist es dann extrem geworden und ich musste damals eine Entscheidung treffen. Entweder, ich höre sofort auf meinen Traum zu leben, und mache meine Dissertation o.ä. oder ich trenne mich von dem Rest der Band. Gunnar habe ich dann in den Urlaub geschickt, und nach zwei Monaten haben wir uns zusammen gesetzt und ernsthaft überlegt, wie wir HELLDORADOS noch einmal von vorne beginnen können. Vor allem in den veränderten Zeiten der Musikwirtschaft ist das heute alles andere als leicht. Letztendlich haben wir uns von allem Druck befreit und uns ganz einfach die Zeit genommen die richtigen Leute zu finden, ein Konzept auszuarbeiten und dann neue Songs zu schreiben. Der Grundstein war damit gelegt. Es ist ein bisschen wie damals in der Schule, irgendwann hat man keine Lust mehr auf Mittelmaß, ab jetzt wird nur noch Qualität abgeliefert.

Ihr habt mittlerweile einen weltweiten Deal mit Massacre abgegriffen. Wie kam es nach der längeren Anlaufphase zu dem Deal?

Pierre: Wie ich schon sagte, hat sich die Musikindustrie in den letzten 15 Jahren stark verändert. Heutzutage wird niemand mehr "entdeckt". Wir haben von jeglichen Musikrichtungen viel zu viel. 1985 ist vielleicht noch ein A&R Manager in einen wichtigen Club in einer angesagten Stadt gefahren, um das "nächste große Ding" zu signen. Das passiert heute einfach nicht mehr und somit muss man als Newcomer die Dinge selber in die Hand nehmen. Wir hatten die DIY Geschichte ja schon durch. Das ist garantiert eine harte und ehrliche Schule. Funktioniert aber, wie schon erwähnt, nur zu einem gewissen Grad. Wir haben uns mit HELLDORADOS von Anfang an Gedanken gemacht, wie sich das Ganze anhören soll, wie es sich anfühlen soll, schmecken und riechen. Danach sind wir mit den Demos in alle wichtigen Studios in Deutschland gefahren, um persönlich mit Produzenten und Inhabern zu reden. Wir wollten das fairste und beste Feedback haben. Egal, ob die uns zerrissen oder gelobt haben. Und wir waren bei einigen wirklich großen Namen. Letztendlich ist unsere Wahl dann auf die Horus Studios in Hannover gefallen. Dort sind immerhin einige der wichtigsten Platten der SCORPIONS, KREATOR, VICTORY oder den GUANO APES aufgenommen worden. Zusätzlich musste es für uns einfach auch menschlich passen. Lange Rede, kurzer Sinn. In Hannover haben wir eine Promotion-EP aufgenommen, die deutschlandweit sehr positiv von den Kritikern und den Medien aufgenommen wurde. Mit dem Rückenwind sind wir dann wieder losgezogen und sind bei den wichtigsten Labels persönlich vorstellig geworden. Wieder die harte Schule. Insgesamt gab es mit einigen lange Verhandlungen. Bei Massacre Records hat es einfach gepasst, und die Leute dort machen einen sehr guten Job.

Lass uns nun das Album etwas in den Fokus rücken. Nachdem Ihr den Hörer mit dem Intro schön in die Irre führt, wird ein gesteinsgroßer Rotzbrocken rausgehauen und anschließend mächtig das Gaspedal getreten. Wie ist das Album entstanden, wo habt ihr aufgenommen, wie lange habt ihr für Songwriting/Recordings gebraucht. Was war aus Deiner Sicht das Schwierigste Stück Arbeit im Rahmen der Produktion?

Pierre: Wow, das sind ja gleich vier Fragen auf einmal (lacht). Das ist ja unser Label Debüt und somit hatten wir eigentlich überhaupt keinen Druck. Das erste Album ist bekanntlich das Leichteste, weil alle Songideen völlig frei entstehen können. So war es auch bei uns. Meistens saßen Steve (Gitarre) und ich zusammen, um die Riffs auszuarbeiten, und ich habe so viele Texte geschrieben, da ist noch jede Menge Zeug für die Zukunft übrig. Wir haben dann das Grundgerüst in den Proberaum getragen und Chris (Drums) und Gunnar haben ihre Meinung dazu geäußert. Insbesondere Chris ist ein fantastischer Songwriter. Immer wenn Steve oder mir nichts mehr einfällt, müssen wir nur Chris fragen. Er hat immer die perfekte Lösung parat. Aufgenommen haben wir, wie schon bei der Promotion-EP, zusammen mit Produzent Mirko Hofmann in den legendären Horus Sound Studios in Hannover. Wie schon gesagt, entstanden die meistens Songs in den letzten zwei Jahren. Die Vorproduktion in Stuttgart dauerte vielleicht eine Woche und die eigentlichen Recordings 14 Tage in Hannover. Obwohl es vielleicht nicht so klingt, aber eines der leichtesten Stücke war 'Changes'. Das flog uns einfach so zu, und den Text habe ich in einer Viertelstunde geschrieben. Ein echter "Kotzbrocken" hingegen war glaube ich 'Torture Is My Name'. Wir haben ewig gebraucht, alle Teile des Songs so zusammenzusetzen, dass jeder damit zufrieden war. Allein den Text habe ich bestimmt 5x komplett geändert, weil es mir immer noch nicht richtig erschien.

Apropos 'Changes', wie schon in meinem Review bemerkt, finde ich das Gitarrenthema zu Beginn mehr als nur stark an 'Tribute' von TENACIOUS D angelehnt. War das ein bewusster Tribut von Euch, oder ist das ganze doch eher zufällig zustande gekommen?

Pierre: Nee überhaupt nicht. Persönlich finde ich auch, dass die Nummer überhaupt nichts Vergleichbares mit TENACIOUS D hat. Versteh mich nicht falsch, wir alle lieben THE D und insbesondere Jack Black, aber außer den vier Tönen im Auftakt des Songs hat das überhaupt nichts mit dem Song 'Tribute' zu tun.

Ok, und das Album besteht ja auch aus mehr als nur dem einen Track. Was sind denn Deine persönlichen Lieblingssongs auf dem Album? Und warum gerade diese?

Pierre: Mmmh... schwierige Frage. Natürlich liebe ich alle Songs auf dem Album, denn es sind ja alles Babys von uns. Es ist ja auch so, dass wir mit jedem Song eine ganz besondere Situation verbinden. Wir sind eigentlich vier total unterschiedliche Typen in der Band, jeder mit seinen ganz persönlichen musikalischen Vorlieben. Aber genau, weil wir diese Schnittmenge heraus gearbeitet haben, konnten wir etwas Neues erschaffen. Ich liebe unsere erste Single 'You Live, You Learn, You Die', weil der Text cool ist und sowohl sehr cleane Vocals, aber am Ende sogar Growls drin vorkommen. Aber auch 'Changes', weil es ein sehr emotionaler Song ist. 'Girls' funktioniert wiederum super, wenn ich abends auf eine Party gehe.

Du hast bereits erwähnt, dass Du für die Texte zuständig bist. Gewähre uns doch einen Blick in Deine Lyrics. Sind sie autobiographischer Natur oder pickst Du Dir einfach Themen raus und schreibst Geschichten? Denn immerhin sind die Inhalte ja für eine Sleaze-Band eher weit gefächert und gehen nicht nur auf die üblichen Sex & Drugs & R'N'R.

Pierre: Klischeetexte sind nun wirklich nicht mein Ding. Das sollen andere machen. Über Sex kann ich schreiben, über Drogen nicht. Ich nehme keine, und Rock N' Roll ist doch das ganze Leben. Alle Texte sind autobiographisch, über den Drachentöter und das Schwert am Ende des Regenbogens sollen andere singen. Ich kann damit nichts anfangen. Nimm z.B. unsere erste Single 'You Live, You Learn, You Die' mit der Zeile "... like a dove without a head, you never learn to fly...". Das kommt daher, weil ich eines Morgens aufwache, den Vorhang öffne und bei meinen Nachbarn auf dem Dach liegt eine Taube mit abgebissenen Kopf, und daneben sitzt ein fetter Habicht. Der tägliche Scheiß eben. Das Leben bietet hier einfach die besten Geschichten. Natürlich ist dann wiederum 'Girls' oder 'Got Laid' die reale Partynummer. Jetzt musst Du die Songs nur noch übersetzen (lacht).

Das überlasse ich Euren Fans. Kurzer Blick aufs Cover. Wer ist die junge Dame, die uns da die Pommesgabeln entgegenstreckt und einem Berg von Totenköpfen entsteigt?

Pierre: Wir wissen auch noch nicht wie sie heißt. Sag Du es mir! Das Coverartwork ist auf jeden Fall nicht im Computer entstanden, sondern wurde von dem renommierten Künstler und UNESCO-Preisträger Timo Würz gemalt. Er hat auch schon für Marvel-Comics gezeichnet, und seine Werke hängen sogar im "Museum Of Modern Arts" in New York. Das ist auch für uns eine echte Ehre.

Soweit ich das überblicken kann, habt ihr durchweg gute Reviews erhalten, oder? Auch ich finde das Album ziemlich cool, warte allerdings noch auf ein paar Live-Termine. Gibt es noch eine kleine Tour oder zumindest regelmäßige Wochenendgigs? Mit wem würdest Du gerne mal auf Tour gehen?

Pierre: Da gebe ich Dir Recht, auch wir würden natürlich gerne sofort eine Welttournee zum Album hinterher schieben, vor allem weil die Reviews weltweit bisher sehr positiv sind. Im Moment sind wir in Gesprächen mit einigen Tourneeveranstaltern. Das ist alles nicht so ganz einfach, aber zum Ende des Jahres wird es bestimmt noch ein paar Konzerte geben und nächstes Jahr dann die Festivals. Manchmal ist weniger auch mehr!

Zum Thema Live-Gigs habt Ihr Euch ja kürzlich etwas Besonderes einfallen lassen und im Rahmen eines Gewinnspiels ein Privatkonzert verlost, bei dem Ihr auf der Privatfeier eines Fans zockt und sogar das Bier mitbringt. Wie war die Resonanz hierauf? Wie seid ihr auf die Idee gekommen? Wo wird das Konzert stattfinden, wer hat gewonnen und wieso habt ihr gerade diesen Gewinner gewählt?

Pierre: Gewinnspiele machen wir eigentlich immer mal wieder von Zeit zu Zeit. Uns ist die Fanbindung extrem wichtig. Wir stehen ja noch ganz am Anfang und kennen die Situation nur zu gut, dazu sind wir in erster Linie ja selber Fans von vielen Bands. Früher habe ich auch eine Postkarte an MTV nach New York geschickt, weil ich meine Idole kennen lernen wollte. Aber zurück zu Deiner Frage; Wir wollten damit die Fans auffordern, selber aktiv zu werden und vor allem die neuen Medien mit einzubinden. Heutzutage sind gerade facebook und Co. so wichtig geworden - nicht ausschließlich, aber als ergänzende Medien. Die Resonanz war eigentlich ganz gut, glaube ich. Wir werden das nächste Woche einmal auswerten. Dann kann ich Dir mehr dazu sagen.

Plant ihr für die Zukunft weitere solche "Specials"? Ist das Teil eures Masterplans den Sleaze-Thron in den nächsten Jahren zu erobern?

Pierre: Du sprichst vom großen "Masterplan"? Wenn es nur so einfach wäre... nee aber mal ganz ehrlich, solche Specials gehören für uns auf jeden Fall dazu. Einfach, weil wir den Fans etwas zurückgeben wollen und somit wird es natürlich auch in Zukunft immer mal wieder so ein Special oder Gewinnspiel geben.

Wo siehst Du den Thron oder anders gefragt, was ist Euer Ziel mit den HELLDORADOS für die nächsten Jahre? Die Zeiten, mal eben Megaseller zu werden sind ja im Großen und Ganzen vorbei.

Pierre: Das stimmt, vor 20 Jahren hat die Musikindustrie noch rund zehn Acts pro Jahr groß raus gebracht. Vor zehn Jahren noch rund fünf Künstler pro Jahr. Was passiert heute? Die letzten großen Rock und Metal Acts, die meiner Meinung nach langfristig die Big Bucks abfeiern werden, sind NICKELBACK, VOLBEAT und vielleicht noch AIRBOURNE. Ich glaube aber weiterhin daran, dass es wichtig ist, sich als Künstler so aufzustellen, dass man sich persönlich wohl dabei fühlt. Im Grunde genommen haben wir uns als Ziel gesteckt, für unsere Musik und unsere Kunst nachhaltig respektiert zu werden.

Das sehe ich in der Tat genauso. Und damit sind wir für heute auch schon durch mit meinen Fragen. Nochmals Danke Pierre, dass Du Dir die Zeit für das Bleeding genommen hast. Wie es bei uns gute Sitte ist, gehören die letzten Worte Dir. Gibt es noch etwas, das Du unseren Lesern unbedingt mitteilen möchtest, z.B. Lebensweisheiten, auf die man lieber nicht verzichtet?

Pierre: Ebenfalls vielen Dank, aber Lebensweisheiten sind doch für'n Arsch, sorry. Geht los und kauft euch das HELLDORADOS-Album oder ladet es euch aus dem Internet, Hauptsache ihr unterstützt das, was euch etwas bedeutet!! "If you guys Rock, HELLDORADOS Roll".

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten