Interview mit Gunnar von Dritte Wahl

Ein Interview von Kex vom 18.02.2010 (6718 mal gelesen)
Vor anderthalb Jahren feierten sie mit einem Best Of - Konzert ihr 20 jähriges Bestehen. 20 Jahre DRITTE WAHL, 20 eine Band, ein Line-up und 20 Hits, die sich nach Anfragen vieler auch auf einer Ende letzten Jahres veröffentlichten Live-CD befinden. Gunnar, Sänger und Gitarrist der Band, stellte sich meinen Fragen.

Zum 20 Jährigen Jubiläum habt ihr euch eine Menge einfallen lassen: Konzert, Wunsch-Top20, DVD, CD. Ihr habt eine Menge erreicht in den Jahren.

Gunnar: Naja, 20 Jahre, das ist ein ganz schön abstrakter Zeitraum! Für mich war das ganz komisch. Rechnerisch gab es da nichts zu rütteln, aber so richtig begreifen kann man das nicht. Wir sind sehr froh, dass wir es mit unserer kleinen Combo so weit gebracht haben, zumal wir alles selbst machen und als absolute Autodidakten angefangen haben.

Liebe gute alte Zeit, wann hätte sie stehen bleiben können?

Gunnar: Auf jeden Fall bevor Busch'n Krebs bekam. Dann hätten wir mit Stefan vielleicht heute einen zweiten Gitarristen, denn Gitarre spielt er auch sehr gut. Ansonsten gab es natürlich sehr viele schöne Momente, die etwas länger hätten andauern können.

Welche Momente eurer Karriere würdet ihr am liebsten vergessen?

Gunnar: Der, an dem wir einen total bescheuerten Plattenvertrag über die ersten 3 Alben mit Amöbenklang unterschrieben haben.

Rückblickend, wie war es in der DDR zu spielen, konntet ihr überhaupt live auftreten?

Gunnar: Das Musizieren war zu DDR-Zeiten schon schwierig. Man brauchte eine Auftrittsgenehmigung, um überhaupt öffentlich spielen zu dürfen. Dazu musste man vor einer Kommission vorspielen und vorher die Texte abgeben usw. Wir hatten so eine Genehmigung nicht. Das machte alles schwierig. Wenn man überhaupt jemanden fand, der sich traute, so eine Band spielen zu lassen, dann durfte das nicht beworben werden. Werbung war aber eh schwierig. Es gab keine Kopierer oder Ähnliches. Wo wir gerade beim Mangel sind: Natürlich hatte auch niemand von uns ein Auto, um zu den Gigs zu fahren. Instrumente und Zubehör waren absolute Mangelwaren und wenn man überhaupt etwas bekam, dann war es dementsprechend teuer. Wir haben damals unsere Saiten ausgekocht und wieder aufgezogen. Wenn eine Saite riss, dann haben wir sie gelötet. Trommelstöcke wurden selbst gedreht. Man musste schon viel Energie aufbringen, um das alles zu machen.

Während der letzten 20 Jahre habt ihr mehrere Punkbands aufstreben und auseinander fallen gesehen, welche wünscht ihr euch zurück?

Gunnar: Wir haben immer viel mit HASS gespielt. Die Jungs fehlen mir. Ansonsten kommen die alten Helden ja gerade alle wieder raus!

20 Jahre - Kaum ein Wechsel im Line-Up, was war euer Geheimnis?

Gunnar: Wir sind einfach gute Freunde und haben ein gemeinsames Ziel. Vielleicht ist es aber auch einfacher drei Leute zusammen zu halten, als vier oder fünf. Unser bleibendes Line-Up hat uns aber natürlich auch stark gemacht. Man kennt sich, Schwächen, Stärken usw. Neue Leute in einer Band können ja auch bereichern, aber oft werfen sie die Combos zurück.

Das Jubiläums-Konzert ist anderthalb Jahre her, weshalb hat es so lange gedauert, bis die CD raus kam?

Gunnar: Wir hatten diese CD eigentlich gar nicht geplant. Das Konzert haben wir ja 2009 schon als DVD veröffentlicht und damit sollte es an sich auch gut sein. Es kamen aber viele Leute zu uns und fragten, ob wir nicht diesen Mitschnitt auch für die Stereo-Anlage und für das Autoradio als CD raus bringen könnten. Also gibt es jetzt eine Art "Best Of" Live-Album von uns.

Ihr habt drei Songs den Top 20 angefügt, warum waren euch diese besonders wichtig?

Gunnar: Der Song für Busch'n war uns sehr wichtig. Wir spielen das Stück an sich jeden Abend, um ihn ein wenig bei uns zu haben, und bei dem Geburtstagskonzert gehört er einfach dazu. Die beiden anderen Songs, 'NVA' und 'Kein Wort' sind auch wichtig für die Band. 'NVA' war der erste Titel, der auf einer LP (damals auf einem "Sicher gab es bessere Zeiten" - Sampler) veröffentlicht worden war und 'Kein Wort' ist einfach, meiner Meinung nach, einer unserer besten Songs.

Hat euch die Auswahl eurer Fans eigentlich überrascht bzw. habt ihr noch mehr als die drei Songs vermisst?

Gunnar: Es waren an sich kaum wirkliche Überraschungen dabei. Jede/r konnte ja 3 Songs wählen und zu Anfang sah es schon so aus, als müssten wir uns tagelang im Ü-Raum einschließen und Songs einstudieren, die wir teilweisen noch nie live gespielt haben. Da sich die meisten Leute aber doch mindestens einen "Hit" gewünscht haben, kamen mit der Zeit doch die üblichen Verdächtigen nach vorn. Ich finde das für ein Jubiläumskonzert auch okay. Das war dann halt ein richtiger "Best of" Abend. Überraschend war für mich die Nummer 1. Dass mit 'Zeit bleib stehen!' ein Song von unser letzten Platte nach ganz vorn kommt, ist schon ein schönes Kompliment. Oft hängen ja viele Leute den alten Zeiten nach und hören vermehrt die ersten Platten ihrer Lieblingsbands.

'Kugel' - seht ihr eure Vision vom Jahr 2010 bestätigt?

Gunnar: Nun, ganz so schlimm ist es doch noch nicht, aber wir sind ja auf dem besten Weg!

'Schreie hinter Glas' - aus den Augen aus dem Sinn, welche Themen werden heutzutage zu wenig aufgegriffen?

Gunnar: Es ist schon sehr viel besungen worden. Da etwas wirklich Neues zu finden, wird sehr schwer. Ich würde ganz gern mal einen Song zum Thema Ost-West machen. Mal schauen, ob mir das gelingt.

Eure Texte sind politisch recht gehaltvoll, schafft ihr es noch euch anderweitig aktiv zu beteiligen?

Gunnar: Wir sind in keinen Organisationen aktiv o. ä. Wir spielen auch heute noch viele Soli-Konzerte und unterstützen damit Gruppen oder Initiativen, deren Ziele und Ideen wir gut finden. Manchmal spenden wir auch CD's, DVD's oder Shirts, die dann für einen guten Zweck versteigert werden.

'Und Jetzt?' - Keine Angst vor Routine gehabt?

Gunnar: So richtig Routine ist bei uns noch nicht eingekehrt. Gut, das Lampenfieber ist nach über 1.000 Konzerten nicht mehr so groß, aber es ist noch da! Wir wollen schon noch eine Weile am Start sein und dadurch, dass wir sehr oft mit jungen Bands zusammen spielen, haben wir natürlich auch noch immer den Bezug zu den jüngeren Leuten.

Was ist in der heutigen Gesellschaft eigentlich Punk?

Gunnar: Punk heißt für mich, so zu leben, wie es mir gefällt, aber dabei darauf zu achten, dass ich durch mein Treiben anderen und der Welt so wenig wie möglich schade.

Ihr habt ein Plattenlabel gegründet, wie viel eurer Zeit nimmt das in Anspruch?

Gunnar: Wir machen ja alles allein. Das Label, das Booking, unseren Internet-Shop usw. Mittlerweile hat Stefan sogar eine keine Textildruck-Firma. Mit 40 Stunden in der Woche kommen wir nicht aus. Wenn man die Fahrzeiten mitrechnet, während wir auf Tour sind, dann schon gar nicht. Das Schöne ist, dass wir alles selbst bestimmen können. Wir können uns überlegen, wann wir live spielen wollen und wann wir andere Dinge tun. Das Label selbst macht eigentlich nur viel Arbeit, wenn gerade eine Neuerscheinung ansteht. Dann gibt es viel zu tun. Der normale Wahnsinn ist aber überschaubar.

Bevor ein Album raus kommt, müssen die meisten Bands einen Überschuss an Songs produzieren, die dann vom Label ausgewählt werden, fällt das bei euch komplett weg? Gibt's Songs, die noch keiner gehört hat?

Gunnar: Es gibt nicht sehr viele fertige Songs, die wir noch nicht veröffentlicht haben. Die meisten Lieder haben dann schon noch einen Platz auf einer B-Seite einer Single oder als Bonustrack auf einer CD gefunden.

Und jetzt? - Wie sieht die Zukunft aus, welche Themen müssen unbedingt auf zukünftigen Alben besungen werden?

Gunnar: Wir haben uns da nichts Spezielles vorgenommen. Wir basteln ja gerade an einer neuen Platte und ein Großteil der Texte ist schon fertig. Worum es geht, will ich hier aber noch nicht erzählen.

Vielen Dank für die Antworten, nun stellt euch vor, einer redet und keiner hört zu - was brennt euch schon immer auf der Seele, und niemand wollte es hören? Die letzten Worte gehören euch:

Gunnar: Wir bedanken uns beim Interviewer für sein Interesse und bei allen anderen fürs Lesen. Möge dieser Winter bald vorüber sein! Wir wünschen allen ein gutes Jahr 2010!

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