Interview mit Falk von Fluoryne

Ein Interview von Mandragora vom 21.01.2010 (7100 mal gelesen)
Eines der komplexesten und wohl auch anspruchsvollsten Alben des Jahres 2009 brachte Falk unter seinem Projekt FLUORYNE mit seinem Debüt "Dämmerung" auf den Markt. Die facettenreiche und komplexe Umsetzung hebt das Album deutlich vom sonstigen Einheitsbrei ab, so dass ein Interview über Hintergründe, Inhalte und die Person hinter dem Album abzusehen war...

Hey Falk, zunächst mal Gratulation zu dem Album, das du jetzt kürzlich heraus gebracht hast.

Falk: Hey Mandragora! Vielen Dank - schön, dass dir "Dämmerung" gefällt!

Woher hast du denn die Ideen für dieses Album geholt und wie hast du es geschafft, das Album so abwechslungsreich zu gestalten? Im Allgemeinen geht man bei (angekündigtem) Black Metal - auch wenn man avantgardistische Züge erwartet - ja nicht unbedingt von einer Vielfalt an Eindrücken aus.

Falk: Ich würde nicht unbedingt von "holen" und "gestalten" sprechen. Im Grunde sammle ich mehr oder weniger bewusst ständig Ideen, die dann zum Teil auch den Weg in die Musik FLUORYNES finden. Wichtig ist mir, dass die Ideen, die ich verarbeite, die Stimmung und die Atmosphäre, die mir für das jeweilige Stück vorschweben, unterstützen. Das andere Verb, "gestalten", trifft prinzipiell natürlich auf "Dämmerung" zu, das ich aus musikalischer Hinsicht in weiten Teilen gestaltet habe. "Abwechslungsreich" ist dagegen ein Attribut, das nicht im Fokus meiner Arbeit stand oder steht. Dass das Album letztendlich so facettenreich geworden ist, liegt an der Vielzahl unterschiedlicher atmosphärischer Nuancen, die sich in der lyrischen Vorlage entdecken lassen.

Die Wahl expressionistischer Gedichte als Inhalt der Songs fand ich sehr gelungen. Wie bist du denn auf die Idee gekommen, gerade solche für ein lyrisches Konzept zu verwenden?

Falk: Die Idee, expressionistische Lyrik zu vertonen, hatte ich schon zu Schulzeiten. Die Lyrik dieser Epoche ist so unglaublich ausdrucksstark und entzieht sich den allermeisten Versuchen, sie anhand einfacher analytischer Techniken greifbar zu machen. Meiner Meinung nach ist das die ideale Voraussetzung, diese Lyrik mit Musik zu verknüpfen - schließlich steht auch hier der Ausdruck im Vordergrund. Ich habe mich in der Vergangenheit schon häufiger an einer derartigen Annäherung versucht, bin aber nie besonders weit gekommen - bis zu den fünf Stücken, die nun auf "Dämmerung" zu finden sind.

Warum hast du gerade diese Gedichte gewählt?

Falk: Bei "Morgens" und "Unwetter" habe ich beim Lesen der Gedichte gemerkt, dass sie unglaublich gut zu einigen Ideen passten, an denen ich zu den jeweiligen Zeitpunkten arbeitete – 'Morgens' war der Moment, an dem das Projekt "Dämmerung" seinen Anfang nahm, 'Unwetter' markiert den Zeitpunkt einer Rückkehr zu diesem Projekt, denn es gab eine längere Zeit, in der ich keinen richtigen Zugang zu expressionistischer Lyrik fand. "Fern" und "Klage" regten in mir vergleichsweise scharf umrissene Ideen zur Gestaltung der musikalischen Annäherungen an. 'De Profundis' entstand in einem dialektischen Prozess. Allen Gedichten gemeinsam ist, dass ich sie für sehr gelungen halte – das ist natürlich bei vielen weiteren expressionistischen Gedichten der Fall, und ehrlich gesagt gibt es auch einige Gedichte, die ich gerne vertont hätte, für die ich meine Vorstellungen aber nicht zufriedenstellend umsetzen konnte.

Selbst wenn ich ein musikalisches Projekt hätte, käme ich persönlich wohl nie auf die Idee eben Expressionismus als Grundlage zu nehmen. Was verbindet dich mit dieser Stilrichtung?

Falk: Einfach gesagt fühle ich mich sehr zuhause in der Lyrik des deutschen Expressionismus - obwohl das eigentlich eine "contradictio in adiecto" ist, denn so etwas wie eine greifbare "Heimat" gibt es in dieser Lyrik nach meinem Verständnis nicht. Ich finde mich selbst und mein Verständnis von Welt zum Teil in dieser Lyrik wieder.

Was hat dich denn zu diesem Soloprojekt angetrieben? Und wie hast du die musikalische Prägung des Albums entworfen, es sind ja schon diverse Einflüsse vorhanden?

Falk: Vor der Gründung FLUORYNES Anfang 2005 hatte ich erste Band-Erfahrungen als Gitarrist einer ziemlich miesen Death Metal-Band gesammelt - unabhängig von der sonst unspektakulären Musik habe ich technisch in dieser Zeit viel gelernt! - und mich im Anschluss daran ein wenig in Home-Recording eingearbeitet und experimentiert; FLUORYNE war dann der Startschuss zu einer gerichteten musikalischen Ausdrucksweise. Aus musikalischer Sicht fühle ich mich schon seit geraumer Zeit im Black Metal zuhause, von daher war die grundsätzliche Ausrichtung FLUORYNES sofort klar. Ich hatte aber genauso von Anfang an vor, die schwarzmetallischen Elemente um atmosphärisch ähnliche Stilmittel zu erweitern - "reiner" Black Metal erschien mir aus Musiker-Sicht ziemlich limitiert und sogar langweilig. Das ist im Grunde die Geschichte FLUORYNES und meiner musikalischen Agenda.

Wie ich gelesen habe, warten deine Fans schon seit einiger Zeit auf dieses Album. Was hat zu der längeren Wartezeit geführt?

Falk: Das ist richtig, zumindest gibt es eine Handvoll interessierter Menschen, die ein wenig Geduld aufbringen mussten. Die Gründe für diese Wartezeit sind vielfältig. Ich habe ja schon erwähnt, dass ich eine Zeit lang keinen rechten Zugang zu dem Konzept "Dämmerung" fand - in dieser Zeit habe ich ein bisschen an anderen Projekten gearbeitet, zum Beispiel habe ich einen Beitrag zum ULVER-Tributalbum "My Own Wolf: A New Approach" aufgenommen. Dann gibt’s ja auch noch meine Aktivitäten bei GEIST - die Vorbereitungen und Aufnahmen zu "Galeere", das ganze Drumherum, die Konzerte - die mir große Freude bereitet haben, aber natürlich auch ihren zeitlichen Tribut forderten. Zuletzt haben - nachdem ich eine Vorproduktion von vier der fünf Songs auf "Dämmerung" fertig gestellt hatte - die Labelsuche, die Aufnahmen und die Produktion des Albums einige Zeit in Anspruch genommen. Ich war also immer gut beschäftigt, daher kam mir die effektiv verstrichene Zeit auch nicht so lang vor. Nichtsdestoweniger bin ich froh, mit der Veröffentlichung von "Dämmerung" einen langwierigen Arbeitsprozess beendet zu haben.

An welchen Hörerkreis dachtest du, als du "Dämmerung" schriebst?

Falk: Puh, dazu fällt mir spontan keine gute Antwort ein. Ich denke beim Schreiben meiner Musik nicht an meinen Hörerkreis - das ist mir zu berechnend und kalkuliert und gehört damit wohl eher in die Popmusik. In erster Linie betrachte ich die Musik FLUORYNES als Weg, mich auszudrücken. Wenn das Resultat allerdings auch anderen Menschen gefällt - die vielleicht ähnlich fühlen: bei denen meine Musik vielleicht die Saiten anrührt, deren Schwingungen mich zum Schreiben der Musik bewegt haben - dann freut mich das natürlich.

Wieso fiel deine Namenswahl gerade auf FLUORYNE? Laut Google muss es wohl was mit Fluor zu tun haben, gibt es da einen tieferen Sinn?

Falk: Da hat Google, wie so häufig, Recht. FLUORYNE ist eine leicht abgeänderte Schreibweise des Wortes "fluorine", das der englische Name des Elementes Fluor ist. Fluor ist das neunte Element im Periodensystem und das erste Halogen. Es ist das stärkste elementar vorliegende Oxidationsmittel und reagiert mit so ziemlich allem, was ihm in die Quere kommt. Gleichzeitig besitzen die dabei entstehenden Verbindungen häufig sehr ungewöhnliche und einzigartige Eigenschaften - hättest du zum Beispiel gedacht, dass fluorhaltige Lösungsmittel mehr Sauerstoff transportieren können als menschliches Blut? Ich sehe einige Parallelen zwischen FLOURYNE und dem Fluor und seinen Verbindungen - ich zitiere hier immer gern SATYRICONS 'Prime Evil Renaissance': "In order to create you must destroy."

Was machst du denn neben der Musik noch so Hobby und Berufsmäßig? Wie läuft es bei GEIST?

Falk: Ich denke, die Frage nach dem Beruf ist mit obiger Antwort bereits geklärt: Ich bin Chemiker. Neben dem Beruf nimmt Musik im weitesten Sinne einen ziemlich großen Teil meines Lebens ein – sei es als Hörer, als Schreiberling für ein namhaftes deutsches Online-Magazin oder eben als Musiker. Meine Zeit bei GEIST ist dagegen so gut wie beendet, da ich aus beruflichen Gründen den Großraum Bielefeld verlassen werde.

Was hörst du denn privat so an Musik? Nach "Dämmerung" würde ich vermuten, es handelt sich um ein wildes Potpourri aller Stilrichtungen?

Falk: "Eigentlich alles" ist kein Musikgeschmack ;) – nein, im Ernst: Es gibt kaum Stilrichtungen, die ich kategorisch ausschließe. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass sich in jedem Genre Perlen entdecken lassen - in der Volksmusik habe ich zugegebenermaßen noch keine entdeckt ;), und (um meine Antwort auch mal auf den metallischen Bereich zu beziehen) im Pagan/Viking Metal überschwemmen mittlerweile derart viele beschissene Veröffentlichungen den Markt, dass sich die Perlen kaum noch finden lassen. Ich versuche immer, mir Musik erst einmal anzuhören, bevor ich mir ein Urteil bilde.

Was war denn dein bestes Erlebnis 2009, abgesehen von der Veröffentlichung deines Albums?

Falk: Ich schätze, das war der Abschluss meiner Doktorarbeit, den ich im Dezember feiern durfte.

Was steht denn jetzt 2010 auf deinem Programm, können wir noch mehr musikalischen Output erwarten?

Falk: Zumindest hoffe ich das schwer! Es ist momentan schwierig, konkrete Aussagen dazu zu treffen, da mein weiterer beruflicher Weg noch nicht klar ist. Ich werde aber versuchen, eine bisher unveröffentlichte Demo-CD mit dem Titel "Dynamics Of Extinction" amtlich aufzunehmen und zu veröffentlichen. Einige Ideen zu neuen Songs gibt es ebenfalls, es ist aber noch deutlich zu früh, im Einzelnen darüber zu sprechen.

So, jetzt hab ich einige Fragen gestellt.. allerdings bei weitem nicht alles, was es zu fragen gibt ;). Gibt es vielleicht etwas, das du gerne mal loswerden möchtest so als generelles Statement o.ä.? Wenn ja dann leg los ;) :

Falk: Nein, da fällt mir spontan nichts ein.

Dann bedanke ich mich für die Beantwortung meiner Fragen. Und wünsche dir ein schönes Jahr 2010!

Falk: Ich bedanke mich bei dir für das Interview, die Rezension und deine Unterstützung! Und auch dir wünsche ich alles Gute für 2010.

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