Interview mit Ralf von Macbeth

Ein Interview von Kex vom 30.08.2009 (9636 mal gelesen)
MACBETH gehören zu den Urgesteinen des deutschen Heavy Metal und spielten schon zu DDR-Zeiten ihre ersten Auftritte. Den Fragen zu Höhen und Tiefen der Bandgeschichte stellte sich Gitarrist Ralf. Lest selbst, diesmal fand ich die Antworten besonders spannend:

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen Album. Euch gibt es ja bereits seit 1985, doch dürfte den wenigsten Jungmetallern eure Geschichte geläufig sein, stellt euch doch kurz vor:

Ralf: Danke! Wie schon erwähnt, gibt es uns seit 1985. Wir wurden allerdings im November 1986 schon verboten, weil wir zu viel Publikum zogen. Diese Szene passte so gar nicht in das Weltbild der Obrigkeit. Also glaubte man, das Problem erledigt sich von selbst, wenn man die Band verbietet. Es ging dann bis zum Mauerfall unter anderem Namen weiter. Die zwei Selbstmorde brachten schließlich alles zum Erliegen. Nach diesem Schock war über 10 Jahre Pause. Deswegen gab es auch nicht eine Veröffentlichung bis dahin. In der DDR war es ohnehin für eine Band wie uns unmöglich eine Platte aufzunehmen.

Was hatte es mit der berühmt berüchtigten Spielerlaubnis auf sich?

Ralf: In der DDR musste jede Band eine Spielerlaubnis besitzen, um überhaupt auftreten zu können. Wir haben zwar unsere ersten Konzerte auch illegal gespielt, wollten aber etwas erreichen und das ging halt nur mit der Spielerlaubnis. Das Ding muss man sich wie einen Ausweis vorstellen. Um die Spielerlaubnis zu erhalten, musste man vor einer Jury aus Parteibonzen und Kulturleuten im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung vorspielen. Die bewertete dann die Darbietung und vergab die Spielerlaubnis. Da war festgelegt, wie viel Kohle man pro Konzert nehmen darf. Wir hatten Glück, weil in der Jury eine 80-jährige ! Musikdozentin war, die unseren Song ‚Bomber’ textlich und musikalisch sehr stimmig fand. Sie fühlte sich in die Zeit der Bombardements im Zweiten Weltkrieg zurückversetzt. Unser Glück!

Aus eurer Vergangenheit habt ihr eine Reihe alter Stasi-Dokumente online gestellt, was war das für ein Gefühl in den alten Akten zu wühlen?

Ralf: Wir hatten viel Zeit ins Land gehen lassen, bis wir die Akten beantragten, weil wir wussten, dass uns die eine oder andere böse Überraschung bevorstand. Man wird in der Stasi-Aufklärungsstelle gefragt, ob man psychologischen Beistand benötigt. Das sagt schon viel darüber aus, was manch einen hier erwartet. Bei uns war es streckenweise recht bitter, wer alles auf uns angesetzt war. Hätten wir es kurz nach dem Mauerfall erfahren, wären bestimmt Köpfe gerollt! So waren ein paar Jahre Abstand dazwischen und man fragt sich eigentlich nur, was diese Typen für ein Motiv hatten, uns in die Pfanne zu hauen. Die meisten haben noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Das kotzt mich an.

Hat die Obrigkeit in irgendeiner Form begründet, warum ihr nicht mehr als MACBETH sondern unter anderem Namen auftreten solltet?

Ralf: Der Deal mit dem Ministerium des Inneren war so einfach wie dämlich. Die dachten mit einer Namensänderung würde alles besser werden. Typisch deutsches Beamtentum: Neuer Name, ergo weiß kein Mensch, wer wir sind! Das Gegenteil war der Fall. Jetzt hieß es immer, das ist doch die Band, die verboten war. Mit dem Märtyrer-Status ließ es sich auch ganz gut leben. Bis der Sänger dann wegen einer Kleinigkeit, für die selbst in der DDR keiner eingelocht worden wäre, für mehr als ein Jahr in den Knast musste. Davon hat er sich nicht mehr erholt und erhängte sich ein Vierteljahr nach der Entlassung.

Nachdem ihr euch mehrmals, je nach Selbstmord eines Bandmitgliedes, aufgelöst hattet, habt ihr euch nochmals entschlossen, einen Neuanfang zu wagen, wie kam es zu dieser Neugründung?

Ralf: Unser alter Tontechniker hatte einen runden Geburtstag und wünschte sich nichts sehnlicher, als das der Rest der Band mit ein paar Ersatzleuten auf seiner Feier spielt. Also suchten wir im Freundeskreis noch ein paar Musiker und probten ein paar Mal. Da merkten wir, dass es eigentlich immer noch Spaß macht und begannen erst einmal ohne wirkliches Ziel. Als wir aber merkten, dass da noch etwas geht, haben wir natürlich unsere Ansprüche und Ziele neu definiert.

Da ihr euch unter MACBETH wieder gegründet habt, scheint euch der Name recht wichtig zu sein, wie entstand dieser?

Ralf: Aus heutiger Sicht wäre ein deutscher Name sicherlich passender für unsere musikalische Ausrichtung. Damals waren wir allerdings sehr stolz, einen englischen Namen zu haben. Englisch war nämlich die Sprache des „Klassenfeindes“ und des politischen Gegners. Der Name war aber Weltliteratur und somit nicht anfechtbar. Bei der Einstufung fanden die Behörden den Namen noch sehr originell, beim Verbot warf man uns allerdings vor, wie man sich nach einer so blutrünstigen Figur benennen konnte. Der Name gehört einfach zu uns und steht für unsere ganze Geschichte mit ihren Höhen und Tiefen. Ihn zu ändern käme einem Verrat gleich. Auch wenn es noch andere Bands mit diesem Namen gibt.

Seitdem habt mir mit "Macbeth" eine Eigenproduktion auf den Markt gebracht und nun einen Vertrag bei Massacre Records, wie kam es zu dem Deal?

Ralf: Wir haben fleißig Material verschickt und bekamen natürlich wenn überhaupt nur Absagen. Da wir genug Leute aus der Branche kennen, wussten wir auch, dass die wenigsten Sachen überhaupt angehört werden. Bei "Gotteskrieger" waren wir uns sehr sicher, dass die Scheibe gut ist und nicht so einfach im Nirwana verschwinden darf. Also schickten wir sie an Wolf Mühlmann und der empfahl die Scheibe weiter. Wenn sie schlecht gewesen wäre, hätte Massacre allerdings auch keinen Deal mit uns gemacht. Die wollen den Kram ja schließlich verkaufen und niemandem einen Gefallen tun.

Nun ist euer Neuling "Gotteskrieger" auf dem Markt, wie waren die ersten Reaktionen?

Ralf: 10 x Dynamit im Rockhard war schon der Hammer und auch 90 Prozent der Reviews sind gut bis sehr gut. Das freut uns sehr. Die Leute die damit nichts anfangen können, stören sich meistens am deutschen Gesang. Für viele Landsleute klingt halt die eigene Sprache im Metal immer noch fremd. Die Amis fahren wiederum total drauf ab. Verkehrte Welt! Aber am Ende ist unsere Musik wie alles im Leben Geschmacksache. Wir wollen es ja auch nicht jedem recht machen!

Ist "Gotteskrieger" nur ein Titel, der eben gut klingt oder steckt mehr dahinter?

Ralf: Wir haben uns da schon Gedanken gemacht. Die Menschheit ist geistig in der Steinzeit hängengeblieben und löst Konflikte nach wie vor immer noch mit brachialer Gewalt. Es ist erschreckend, das in unserer aufgeklärten Zeit immer mehr Extremisten und Hetzer Zulauf bekommen. Das fing bei Bush und seinem Kreuzzug gegen das Böse an und endet bei den Islamisten. Es werden Ängste geschürt und Feindbilder geschaffen. Das ist eine gefährliche Mischung gerade in Krisenzeiten.

Im vergleich zu "Macbeth" drückt ihr bei "Gotteskrieger" etwas mehr auf die Tube und insgesamt scheinen die Gitarren weit mehr Raum zu nehmen, wird diese Härte zukunftsweisend für den Klang von MACBETH sein?

Ralf: Die Besetzung hat sich seit der letzten Scheibe verändert und dadurch waren wir jetzt in der komfortablen Lage, unsere Vorstellungen viel besser umzusetzen. Allein das Rhythmusgespann harmoniert wie selten zuvor und das ist schon die halbe Miete. Vorher war alles spielerisch limitiert und man musste sich in diesem Rahmen bewegen. Diese Barriere gibt es jetzt nicht mehr und es wird in Zukunft sicherlich noch etwas härter werden. Wir haben uns seit unseren Gründertagen nicht mehr so wohl gefühlt. Es passt einfach alles!

Welche Geschichte verbirgt sich hinter 'Maikäfer flieg'? Passte dieses alte Kinderlied besonders gut zum Konzept eures Albums?

Ralf: Das Kinderlied stammt aus dem Dreißigjährigen Krieg und fängt recht gut die Stimmung in Kriegszeiten ein. Wir alle in der Band haben/hatten Verwandte, die von der Vertreibung betroffen waren. Erst im hohen Alter erzählten sie über diese schrecklichen Erfahrungen. Da bist Du sprachlos und weißt erst einmal nicht, was Du sagen sollst. Mit diesem Song wollten wir all den namenlosen Opfern, die irgendwo unterwegs jämmerlich verreckten oder misshandelt worden sind, ein Gesicht geben. Das Thema ist leider heute immer noch aktuell wie das Beispiel Darfur oder die Kriege auf dem Balkan zeigen. Unter den Opfern sind auch immer viele Kinder, deswegen fanden wir den krassen Gegensatz zwischen der Kinderstimme und Olli sehr spannend.

Dieses Jahr seid ihr auf noch keinem Festival vertreten, welche würdet ihr in den nächsten Jahren gerne ansteuern?

Ralf: Da gäbe es schon den einen oder anderen Wunsch. Aber ob nun große oder kleinere Festivals ist dabei unerheblich. Dabei sein ist alles!

Vielen Dank für die offenen Antworten, euch alles Gute für die Zukunft, die letzten Worte sollen an dieser Stelle euch gehören:

Ralf: Wir danken Dir für das Interview und bedanken uns bei allen Freunden, Fans und Unterstützern, die uns nicht verloren gegeben haben.

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