Interview mit Chris und Liv Kristine von Leaves' Eyes

Ein Interview von Krümel vom 29.08.2004 (11744 mal gelesen)
Nettes Geplauder am Rande des Summerbreeze-Festivals 2004 in Abtsgmünd

Folgendes Interview wurde im Rahmen des Summerbreeze 2004 geführt.

Euer Auftritt hier steht ja jetzt kurz bevor. Wie fühlt ihr euch eigentlich so vor Live-Auftritten?

Liv: Sehr gut, sehr wohl - prima! Es ist nicht so wie vor 10 Jahren z.B., da war es mir schon komisch im Magen. Und auch so aufgeregt bin ich jetzt nicht mehr.

Chris: Ja, ich hab schon mal gehört das ist ein Heimspiel, aber das ist nicht ganz so. Zunächst mal kommen wir aus Ludwigsburg. Rock Fabrik, die ist wirklich in der Nähe. Ich fühle mich vor jedem Auftritt gleich. Für mich ist es nicht so bedeutend. Ich seh' auf jeden Fall die Menschen. Warum soll ich einen Unterschied machen zwischen denen daheim und anderen? Da hab ich keine unterschiedlichen Gefühle. Ich hoffe für heute, dass die Leute mit uns einen schönen Tag erleben. Das ist für mich wichtiger als ein Heimspiel.

Wie findet ihr die Atmosphäre bzw. die Organisation hier auf dem Summerbreeze? Habt ihr schon selbst was von dem Gelände gesehen?

Liv: Ich hab noch garnichts gesehen. Ich bin eben erst eingetroffen und dann direkt bei euch gelandet.

Chris: Dazu kann ich noch nicht viel sagen. Das werde ich mir nachher nochmal genauer anschauen. Ich war schon mal hier auf dem Festival. Es schien mir kleiner und übersichtlicher als heute. Schauen wir mal; ich mach mir nachher mal einen Überblick über das Programm und so, aber ich könnt's jetzt noch nicht sagen.

Und werdet ihr euch dann auch selbst noch andere Bands ansehen?

Liv: Wenn ich die Möglichkeit habe ja, dann will ich das schon machen.

Chris: Nach dem Auftritt werde ich nicht lange bleiben, sondern bald nach Ludwigsburg zurückfahren. Ich bin kein Mensch, der sich oft andere Bands ansieht. Ich höre privat nicht soviel Metal, interessiere mich sehr für andere Musikrichtungen. Es gibt natürlich einige Bands, die auch ich gesehen habe, z.B Slayer....

Liv, Du wohnst ja in der relativen Nähe, bei Stuttgart. Dann wirst Du sicherlich heute auch wieder nach hause fahren, oder?!

Liv: Ja wir werden wieder nach hause fahren. Es ist so, wir haben ja ein Baby zuhause. Das ist momentan bei der Omi.

Und die anderen Bandmitglieder? Chris hat eben gesagt, er käme aus Ludwigsburg, sind die anderen auch von dort?

Liv: Ja die anderen kommen auch daher. Ich selbst stamme ja aus Norwegen und lebe erst seit 8 Jahren hier in Deutschland. (Anmerkung: Liv spricht nahezu perfektes Deutsch!)

Chris, warum spielen heute Atrocity nicht hier? Dabei halten sie doch nachher eine Autogrammstunde.

Chris: Was soll ich da sagen? Möglicherweise war die Gage zu niedrig? Vielleicht weil das Summerbreeze nicht genug Geld geboten hat? (ALLGEMEINES GELÄCHTER) Aber vielleicht spielen wir nächstes Jahr, das weiß man nicht. Wir haben dieses Jahr die Anfrage für Leaves' Eyes bekommen, haben zugesagt, und deswegen machen wir das auch.

Leaves' Eyes haben jetzt im Herbst und im kommenden Frühjahr eine ausgedehnte Tour zusammen mit Atrocity, Battlelore, Elis und Sirenia geplant (Mittel- und Osteuropa, Süd- und Mittelamerika). Ist Nordamerika noch in Planung?

Liv: Ich denke wir haben die Tour fast über das ganze Jahr verteilt. Zuerst machen wir Europa und dann kommen die anderen Kontinente dran.

Chris: Das ist alles schon am Laufen; wie gesagt Südamerika ist geplant und gerade gestern habe ich erfahren, dass auch Shows in Australien stattfinden werden, und da musste ich echt 'nen Luftsprung machen.

Chris, da habt ihr euch ja viel vorgenommen, so fast um die halbe Welt bzw. einmal rum!

Chris: Ich schau mir überall was an, und nicht nur in der Heimat hier. das ist mir eigentlich auch egal; ich schaue mir alles an...ich bin immer interessiert an anderen Kulturen. (Zusätzlich hat Chris uns auch noch verraten, dass er 2-3x im Jahr Expeditionen in fremden Ländern durchführt!)

Liv, was machst Du denn in der Zeit mit Deinem Baby? Nimmst Du es mit auf Tour, da ja Leaves' Eyes zusammen mit Atrocity unterwegs sein werden?!

Liv: Wir haben eigentlich gedacht, den Kleinen mitzunehmen. Das ist eigentlich kein Problem, da wir immer einen Partybus haben und einen Familienbus. Also kann jeder für sich entscheiden, ob er lieber schlafen oder Party machen will. Deshalb hatten wir zunächst vor, den Kleinen mitzunehmen. Aber wir haben gleich nach der Geburt einen „Omitag" eingeführt. Und es ist so... sie möchte ihn am allerliebsten für sich behalten, denke ich. Sie ist ehemalige Krankenschwester. Ich weiß, dass er (Anm.: Sohn Leon) sich da prima fühlt. Von ihm kommen keine Tränen. Die kommen immer von mir, wenn ich fortfahre. Aber ihm geht's dort bestens. Wenn wir auf Europatour gehen, ist es für ihn dort am besten. Also bleibt er bei der Omi.

Ihr habt bisher schon einige Live-Auftritte hinter euch. Eure Feuertaufe war das Wave Gotik-Treffen in Leipzig, danach ward ihr auch auf dem „Rock the Nations"-Festival in Istanbul und neulich beim Summer Darkness in Belgien. Wie haben sich diese 3 Festivals unterschieden? Gab es da große Unterschiede, speziell auf Istanbul und den islamischen Kulturkreis bezogen?

Liv: Ich war schon öfter in der Türkei, aber noch nie in Istanbul. Es ist für mich eine Großstadt mit vielen Sehenswürdigkeiten. Ein paar haben wir schon erwischt, aber unser Hauptziel war natürlich das Konzert. Ich muss sagen, die Menschen, das Publikum waren fantastisch. Unglaublich, es war so eine Stimmung, so eine Atmosphäre. Sowas haben wir auch nie glaub ich z.B. in Deutschland erlebt. Obwohl wir hier schon sehr viele Konzerte gespielt haben. Da muss ich sagen, da (in Istanbul) möchte ich wieder spielen.

Chris: Vom islam.Kulturkreis kriegt man auf solchen Festivals nichts so mit. Da muss man schon nach Istanbul reingehen und sich das ganze anschauen. Wir sind eigentlich alle kulturbegeistert, wir sind also keine Kulturbanausen. Wir schauen uns immer alles an, interessieren uns sehr für die Menschen und die Geschichte. Die Leute waren immer sehr nett. Ich fand es sehr angenehm.

Wieviele Zuschauer waren in Istanbul?

Chris: Das kann ich garnicht so genau sagen. Vielleicht waren es etwa 4000?

Also könnte man sagen, dass die Menschen dort insgesamt nicht so überfüttert sind wie hier, da sie dort nicht soviele Konzerte sehen können. Und Du als Frau, als Aushängeschild der Band, bist doch dort sicherlich gut angekommen?

Liv: Ja es ist sehr gut angekommen. Ich bin auch schon ganz gespannt auf andere Kontinente, Asien z.B., oder Australien.

Leaves' Eyes ist ja eine Band, die sich aus Musikern zusammensetzt, die vorher bereits jeweils sehr viel Erfahrung und Erfolg alleine hatten. Zum einen die Bandmitglieder von Atrocity und auf der anderen Seite Liv. Wie ist das mit einer Frau als Aushängeschild? Ist es anders als mit Atrocity? Seid ihr gleichberechtigt untereinander?

Liv: Das ist gar kein Problem. Wir sind alle gleichberechtigt. Der einzige Unterschied ist, dass ich bei Atrocity nur Background singe. Wir sind eine große Mastersound-Familie, deswegen gibt es keine Konkurrenz. Manchmal machen wir natürlich Witze, wenn Atrocity jetzt einsingt und zum nächsten Leaves' Eyes, aber es gibt keine Konkurrenz.

Chris: Nein. Wir sind im Prinzip eine Familie. Bei uns läuft das alles sehr harmonisch und alle sind gleichberechtigt. Jeder hat das gleiche Recht, und so läuft es auch.

Auch beim Komponieren der Songs?

Chris: Ja also bei Atrocity macht das ja der Thorsten, bei Leaves' Eyes bin ich das. So investiert der eine mehr Zeit hier, der andere mehr Zeit dort, aber alle sind insgesamt an dem Erfolg beteiligt und jeder trägt seinen Teil dazu bei.

Kommen wir zu eurem aktuellen Album „Lovelorn". Dafür gab's und gibt es durchweg positive Reaktionen und Reviews mit höchsten Bewertungen in diversen Soundchecks. Habt ihr eigentlich selbst mit diesem Erfolg gerechnet?

Liv: Nein, das habe ich nicht. Nach dem Break (Anmerkung: mit TOT = Theatre of Tragedy) hab ich gedacht, dass ich jetzt Leaves' Eyes ganz neu aufbauen müsste. Dann habe ich durchgeatmet und sagte „schauen wir mal". Das war so meine Einstellung. Dass wir so positive Reaktionen erhalten haben, hat mich sehr gefreut. Es ist fantastisch.

Chris: Ehrlich gesagt, was ist Erfolg? Erfolg ist für mich, wenn ich sehe, dass die Leute an meiner Musik Spaß haben.

Wie sehen denn eure weiteren Pläne für die Zukunft aus? Seid ihr schon an der Arbeit für eine neue CD?

Liv: Wir hatten noch 4 Lieder übrig gehabt von der ersten CD, die haben einfach nicht zum Konzept von Lovelorn gepasst. Schauen wir mal, ob wir die Lieder verwenden werden, aber der Chris hat schon soviele Ideen aufgenommen. Wir haben soviel Material, dass wir eigentlich schon die dritte Platte veröffentlichen könnten.

Chris: Wir haben noch einige von der Lovelorn-Sesson übrig bzw. schon eine Menge Lieder fertig - fast 2 neue CD's. Teilweise hat das übriggebliebene Material auch nicht zum Lovelorn-Stoff gepasst, und man muss mal gucken, wie sich die Stücke nun im nächsten Album verwerten lassen.

Wird das nächste Album auch wieder eine Art Konzept-Album werden?

Liv: Ja auf jeden Fall.

Kannst Du uns schon etwas darüber verraten?

Liv: (lacht)... ich denke, um die Liebe kommen wir nicht drumherum...Die Liebe wird wieder das Hauptthema sein, denke ich.

Ist denn schon ein Veröffentlichungstermin geplant?

Chris: Ja, es wird zunächst ein Video gedreht und dazu eine Single erscheinen.

Wann?

Chris: Das genaue Datum kann ich Dir noch nicht verraten.

Wahrscheinlich erst nach der kommenden Tour, oder?

Chris: Nein, schon vorher.

Chris, ist Leaves' Eyes eine Band, die auf Dauer bestehen bleibt oder ein Projekt für eine absehbare Zeit?

Chris: (unverzüglich) Kein Projekt. Auf jeden Fall eine Band! Auf Dauer, das kann man natürlich nie sagen, ich weiß es nicht. Die Band besteht so, wie sie ist. Meiner Meinung nach ist dies die beste Zusammensetzung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand anderes als Liv singt, oder dass jemand anderes Schlagzeug spielt, und so weiter und so fort. Jeder arbeitet dafür.

Also steckst Du genauso viel Arbeit und Energie in Atrocity wie auch in Leaves' Eyes?

Chris: Sagen wir mal so... zurzeit etwas mehr in Leaves' Eyes, aber Atrocity sind genauso wichtig. Entscheidend ist, was nachher bei beiden herauskommt, und nicht, ob man mit der einen Gruppe weniger Arbeit hat oder mehr.

Liv, Du hast jetzt als Gastsängerin bei Cradle of Filth „Nymphetamine" eingesungen. Wie kam es da zu dem Kontakt?

Liv: Das war ganz plötzlich. Das war eine Email von der Plattenfirma Roadrunner, die anfragte, ob ich nicht bei einem Lied mitsingen möchte. Sie haben dann die Musik geschickt, und ich hab es mir angehört und auch sofort eingesungen. Wir hatten nicht soviel Zeit, da die Abreise zu einem Konzert bevor stand. Ich habe anschließend mit dem Sänger telefoniert. Er war auch direkt begeistert. Nächste Woche (Anm.: die Woche nach dem Summerbreeze) steht auch der Videodreh zu Nymphetamine vor der Tür.

Liv, noch kurz zu Deiner Schwester Carmen Elise. Sie hatte ja von Cradle das Angebot erhalten, mit ihnen auf Tour zu gehen, um dort die weiblichen Gesangparts zu übernehmen. Leider musste sie das Angebot ausschlagen, weil Midnattsol selbst gerade ihre CD aufnehmen?!

Liv: Ja, die Band will jetzt ins Studio gehen. Da hätte sich alles verschoben, wenn sie mit Cradle auf Tour gegangen wäre. Ich glaube, es wäre nicht so schlimm, aber sie nimmt auch ihr Studium sehr sehr ernst und möchte auch so schnell wie möglich damit fertig werden, damit sie sich auf die Musik konzentrieren kann. So wie ich. (Anmerkung: Liv's 19 jährige Schwester Carmen Elise ist Sängerin bei der Deutsch-Norwegischen Formation „Midnattsol", die sich dem Nordic Folk Metal verschrieben haben)

Chris, was sagst Du zu den Nebentätigkeiten von Liv als Gastsängerin bei anderen Bands?

Chris: Kein Problem, würde ich auch. Ich hab auch schon Sachen nebenbei gemacht, weil die Songs einfach so schnell aus mir raussprudeln und auch nicht unbedingt immer zu den Bands hier passen.

Du sagtest eben auch, Du hörst privat nicht soviel Metal. Welche Musik hörst Du denn sonst?

Chris: Ich höre sehr viele Soundtracks, ich bin ein Soundtrack-Fan (z.B. Herr der Ringe). Außerdem bin ich ein großer Elvis-Fan, seit ich 10 bin. Ich höre gerne Grönemeyer, Funk, Soul, Fusion und Musik der 80er. Das ist halt so die Musik, mit der ich praktisch großgeworden bin. (...durch Eltern, die in Chris' Heimatland Rumänien der deutschen Minderheit angehörten, auch Deutscher Schlager....) ich weiß, das will jetzt keiner Lesen...

Was wünscht ihr euch jetzt für den Auftritt hier?

Liv: Dass es nicht regnet...(Liv's Wunsch wurde zum Glück erhört)

Chris: Nicht viel. Es ist auch egal, wieviele Leute kommen. Ich spiel einfach gerne und hoffe, dass die Leute kommen, um die gleiche Stimmung wie wir zu haben. So unterschiedlich die Menschen auch sind. Das ist auch das Konzept von Leaves' Eyes - die Harmonie. Ich brauche kein Feuer, keine Gewalt. Wasser ist das stärkere Element als Feuer - meiner Meinung nach. Und Liebe und Harmonie sind auch stärker als Hass und Gewalt.

Das ist ein gutes Abschlusswort, dann wünsche ich euch für den Auftritt alles Gute...

Chris: Und außerdem bin ich Vegetarier.... (...und außerdem hat Chris Philosophie und Biologie studiert...und ein Buch über Flusskrebse geschrieben...)

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