Ghostwound - Ghostwound

Review von Rockmaster vom 19.01.2025 (3439 mal gelesen)
Ghostwound - Ghostwound Es braucht nur wenige Takte des Openers 'Funky Robot', um ganz klar festzustellen, dass der Titel durchaus der Musik gerecht wird, auch wenn selbst die kreativste aktuelle Roboter-KI diesen Song vermutlich (mangels vergleicharen Trainingsdaten) nie hätte komponieren können. Funkige Basslines untermalen das dahingeschrammelte Riff und den sphärischen Psych-Gesang. Es dauert aber auch nicht lange, bis die Synthies alle denkbaren Spekulationen über das Genre des eponymen Debüts der Band GHOSTWOUND zunichtemachen. Schnell werden alle Grenzen überschritten und die Musik sprengt alle Vorstellungen. Krautrock und James Brown werden als inspirative Quellen benannt, aber nichts davon findet sich in erkennbarer Reinform wieder. GHOSTWOUND saugen ihre Vorbilder auf und verarbeiten sie zu einem anspruchsvollen, oft anstrengenden Stilmix, den kein Streaming-Algorithmus jemals ganz nach oben spülen wird, und den man einfach mag oder nicht. Manchmal entwickeln die Songs einen total lässigen Groove ('Smoke'), andere kommen mit wunderschönen Gitarrenmelodien daher ('Gimcana Spiralis'), aber garantiert nimmt jeder die ein oder andere überraschende Wendung. 'Dive Into The Mirror' (mein heimlicher Favorit) könnte man als Lounge Musik durchgehen lassen, ist er doch trotz des eigenartigen Gitarrensolos auf die Länge am eingängigsten. Trotzdem wird auch hier der teils tanzbare Rhythmus gnadenlos aufgebrochen, und das Zwischenspiel auf der Hammond-Orgel wird alsbald durch ein funkiges Gitarrenriff und erneuten Synthie-Einsatz kontrapunktiert. Ansonsten werden die 70er-Jahre massiv zitiert, ohne jemals ausgelutschte Genres zu kopieren. Mir gefiel es, wie RUSH sich einmal im Booklet zum (Live-)Album bei den Fans bedankten, die ihnen "despite the inherent weirdness of our music" (sauschwer zu übersetzen, auch mit KI - probieren wir es mit: "trotz der innewohnenden Eigenartigkeit unserer Musik") über Jahrzehnte treu geblieben seien. Mit dieser Einstellung (aus Zuhörerperspektive) sollte man sich auch GHOSTWOUND nähern, denn die Musik ist von Anfang bis Ende schrullig und wird niemals kommerziellen Ansprüchen oder althergebrachten Hörgewohnheiten gerecht. Und doch entwickeln die - oder zumindest die meisten - Songs eine fesselnde Sogkraft in das durchkalkulierte musikalische Chaos. Thematisch ist der Erstling der Band kaum zu packen, da der Gesang einige Male verzerrt und (auch sonst) schwer zu verstehen ist. Die Titel geben nur ein paar Indizien. Wer bei Krautrock und 'Smoke' an entzünd- und rauchbare Kräuter denkt, bitteschön, warten wir die Bundestagswahl ab, aber aktuell ist es noch legal. Wer bei 'Lycantropus' zum Werwolf wird - auch das verstößt gegen kein geltendes Gesetz. Dass sich 'Azimuth' mit der Positionsbestimmung im geodätischen Koordinatensystem beschäftigt, ist eher unwahrscheinlich, vermutlich geht es eher - metaphorisch - um die allgemeine Sinnsuche. 'Rojava' könnte sich mit den Kurdengebieten im Norden Syriens beschäftigen - sagt die KI - und die verdienen weiß Gott aktuell genug Aufmerksamkeit und Unterstützung, um nicht zwischen Interessen der Nachbarstaaten und der neuen Machthaber aufgerieben zu werden. Ein wenig Aufklärung seitens der Promoter hätte mich hier erfreut, aber die Musik alleine ist schon unterhaltsam genug. Nur zum Chillen ist sie nicht immer geeignet, denn dafür ist sie doch streckenweise zu anspruchsvoll.

Gesamtwertung: 8.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Funky Robot (3:53)
02. Ghostwound (4:58)
03. Smoke (3:22)
04. Gimcana Spiralis (4:09)
05. Dive Into The Mirror (4:13)
06. Five Ave Marias (4:12)
07. Lycantropus (3:41)
08. Rojava (4:41)
09. Azimuth (4:55)
10. Coffee Grounds Revelations (3:52)
Band Website:
Medium: CD
Spieldauer: 41:55 Minuten
VÖ: 06.12.2024

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