Roulette - Go!

Roulette - Go!
Review von baarikärpänen vom 25.07.2025 (649 mal gelesen)
"Wie gerne würd ich jetzt in Schweden sein, weil jeder Schwede lacht und singt Und pausenlos das Tanzbein schwingt bei 40 Grad und Sonnenschein Ach, Schweden ist das schönste Land der Welt - dort, wo am Strand die Palmen stehn Da will ich jetzt spazieren gehn, weil mir mein Schweden ziemlich gut gefällt In Schweden gehn die Uhren anders und ich glaub, das liegt daran, dass Mangos dort und Blumen blühn, zur Schönheit noch das Vitamin" (DIE ÄRZTE - Jag Älskar Sverige) Natürlich gibt es in Schweden, abgesehen vom Supermarkt, keine Mangos. Palmen gibt's wohl auch nur indoor im Erlebnisbad. Das mit den 40 Grad könnte allerdings in naher Zukunft schon stimmen. Na ja, in Schweden sind, so wie bei mir in Finnland, die Sommer kurz und die dunklen Winter lang. Da kann man entweder in Depressionen verfallen oder man macht einfach das, was so viele Musiker aus Schweden machen, nämlich die Sonne ins Songwriting einbauen. Neu, alt, wiederbelebt - egal aus welcher Kategorie, aber in Schweden scheinen Bands, die sich dem AOR oder Melodic Metal verschrieben haben, geradezu an Bäumen zu wachsen. Den USA, einst federführend auf dem Gebiet dieses Stils, hat man schon vor Jahren den Rang abgelaufen. Und das nicht erst seit EUROPE, deren "The Final Countdown" in der Tat sowas wie der finale Startschuss für die schwedische Szene gewesen sein könnte. Teil dieses Starts waren auch ROULETTE, eine der "wiederbelebten" Bands. Die Schweden starteten 1985 und erspielten sich in ihrer Heimatstadt einen gewissen Status. 1986 nahmen ROULETTE am POP-86-Wettbewerb teil, in dessen Jury ein gewisser Kee Marcello saß, womit wir auch eine Verbindung zu den bereits erwähnten EUROPE hätten. Kurze Zeit später veröffentlichten die Herren ihre erste Single 'Hearts Keep On Burning', dem bereits kurz danach die Single 'Fool For Your Love' folgte, wozu die Band auch ein Video drehte. 1990 erfolgte auf Druck ihres Labels die Umbenennung in CHERRY RED und man konnte tatsächlich einen Deal mit CBS an Land ziehen, die die Band auch sofort ins Studio schickten, um an ihrem ersten Album zu arbeiten. Aber wir wissen ja mittlerweile, wie sich die Musiklandschaft zu Beginn der 90er Jahre änderte, was auch ROULETTE (oder hier CHERRY RED) zu spüren bekamen. Vom Album selbst blieb nur noch die Single 'Only The Strong' auf einem Sublabel der CBS übrig, der Vertrag wurde kurz danach aufgekündigt. Satte 18 Jahre herrschte Funkstille, bis ROULETTE 2008 ihre Compilation "Better Late Than Never" unters Volk brachten. Die Erstauflage war sofort vergriffen, es folgte noch eine Neuauflage. Aber trotz dieses Erfolgs mussten die Fans wieder sieben Jahre ausharren, bis 2015 endlich mit 'Secret Room' eine weitere Single folgte und wieder vier Jahre danach mit "Now!" endlich ein vollständiges Album erschien, welches in Schweden, Spanien und sogar in Japan in der Liste der besten Melodic Rock-Alben des Jahres landete. 2024 veröffentlichten ROULETTE eine EP und jetzt endlich freuen wir uns auf das neue Werk "GO!". Bassst Hansi Fellbrink verortet das Material von "GO!" in der Schnittmenge von THIN LIZZY, DEF LEPPARD, BRYAN ADAMS und VAN HALEN. Was zunächst mal vollmundig klingt und etwas übermütig, entpuppt sich aber bereits nach dem zweiten Song dieses Albums als absolut wahrheitsgetreue Einschätzung. Auch wenn die vier Herren mittlerweile im gesetzten Alter angekommen scheinen, muss man hier sagen, dass sich das Alter und die damit einhergehende Lebenserfahrung super positiv auf das Songwriting ausgewirkt haben und wir es mit einer Scheibe zu tun haben, die mal so gar nichts mit geselligem Altherrenabend zu tun hat. Was Enthusiasmus angeht, können es die vier Schweden mit jeder Truppe jüngerer Musiker nicht nur locker aufnehmen, nein, sie lassen sie auch noch ganz bedröppelt im Regen stehen. Das äußert sich unter anderem in der Tatsache, daß ROULETTE keine einzige schmalztriefige Ballade auf ihr Album gepackt haben. Hier wird von der ersten bis zur letzten Minute gerockt, Keyboards bleiben immer schön im Hintergrund. Sind sie es mal nicht, so ist das von der Band so gewollt, so wie in 'She Can't Hide'. Dieses Stück gehört für mich zu den absoluten Highlights auf "GO!". Beeindruckend, welche Performance Thomas Ludberg hier am Mikro abliefert. Gut, das macht er eigentlich auf dem kompletten Album, aber dieser Song (ein echtes Hook-Monster) sticht nochmal eine Ecke deutlicher hervor. Ganz ehrlich, mir ist in den letzten Jahren, die ja nun wirklich nicht arm an ganz tollen Veröffentlichungen im Bereich AOR waren, kein Song untergekommen, der die Essenz von AOR-Ohrenschmeichlern besser hätte verdeutlichen können wie 'She Can't Hide'. Großes Tennis! Die Vergleiche von Hansi Fellbrink mit BRYAN ADAMS bringen 'Fire In Your Eyes' und 'We Remember You' gut auf den Punkt. Mit dem Unterschied, dass der Kanadier schon seit Ewigkeiten (eigentlich seit "Reckless") nicht mehr so schön aberockt hat. Das nur zwei der zehn Songs auf "GO!" über vier Minuten lang sind, kommt dem Flow der Scheibe nur zugute. Man merkt, dass ROULETTE schon lange im Geschäft sind und auf unnötigen Schnickschnack beim Songwriting verzichten. Ein weiterer deutlicher Pluspunkt ist der Fakt, dass ROULETTE nicht krampfhaft versuchen, dieses Feeling der 80er Jahre auf Biegen und Brechen zu reproduzieren. Da darf dann zum Beispiel auch mal die Gitarre durchaus modern klingen. Anders als ihre Landsmänner von NESTOR schaffen ROULETTE den Spagat zwischen Tradition und Moderne, ergo ist "GO!" ein Album, das natürlich seine Roots nicht verleugnet, aber auch 2025 relevant tönt. Klar, NESTOR haben völlig zu recht ihre immer weiter wachsende Fanbase, aber ROULETTE sind am Ende des Tages das bessere Package. Ein Wort auch noch zur Produktion. Gerade die Rhythmusfraktion Hansi Fellbrink (Bass) und Mats Nelin (Drums) ist super eingefangen/ aufs Band gezaubert. Der Bass pumpt, die Drums haben jede Menge Wumms, was gerade in diesem Genre und den zig monatlichen Frontiers-Plastikprodukten nicht immer so ist und viele eigentlich gute Scheiben nach unten zieht. Hut ab auch vor Gitarrist Magnus Nelin, der die für diese Art von Musik so lebenswichtigen genialen Riffs mal einfach so aus der Hüfte abfeuert. Wenn der Deal von ROULETTE mit der CBS nur ein Jahr früher zustande gekommen wäre und die Band tatsächlich 1989 ein solches Album wie "GO!" veröffentlicht hätte, nicht auszudenken, wo die Schweden heute stehen würden. Gut, ROULETTE werden von ihrem Label in die Sparte AOR/Melodic Rock gepackt und das trifft auch ganz gut zu, ist für meinen Gechmack aber auch zu kurz gegriffen. Denn ROULETTE haben etwas, was vielen anderen Bands in diesem Bereich oft fehlt: den nötigen Härtegrad, der das Material auch unter Melodic Metal hätte stehen lassen können. Der dickste Pluspunkt von ROULETTE im Vergleich mit anderen Truppen bleibt aber der komplette Verzicht auf "cheesige" Peinlichkeiten. Erwachsene Männer spielen erwachsenen AOR/Melodic Rock, der es gar nicht nötig hat, sich bei irgendwem anzubiedern, sondern so wie er ist, einfach nur überzeugt. Hier ist eine Band, die niemandem mehr etwas beweisen oder auf Teufel komm raus massenkompatibel sein muss. Genau das hört man auch und das ist auch der Grund, warum ich entgegen meiner Gewohnheiten bei einem Album in diesem Genre nicht nur ein "Gut" zücke, sondern dieses Mal sogar nur knapp unter der Höchstnote bleibe. Gesamtwertung: 9.5 Punkte
Trackliste	Album-Info
01. Answer To My Prayers 02. Fire In Your Eyes 03. We Remember You 04. Strangers 05. What Are We Looking For 06. Take Me As I Am 07. Brand New Start 08. Don't Be Sorry 09. She Can't Hide 10. Better Walk Away	Band Website: www.facebook.com/RouletteSwe Medium: CD Spieldauer: 35:53 Minuten VÖ: 25.07.2025