Al-Namrood - Wala'at

Review von Humppathetic vom 12.08.2020 (6265 mal gelesen)
Al-Namrood - Wala'at "Wo Musik euch beschwingt, die geheimnisvoll klingt und euch einfach nur glücklich macht. Folgt ihr nach, kommt zum Tanz und verliert euch im Glanz einer neuen arabischen Nacht."

Ja, ich gebe es zu. Das war ein Zitat aus dem Disney-Film Aladdin. Und es beschreibt die Musik und das Gefühl, das ich beim Hören empfinde, doch ziemlich gut. AL-NAMROOD, die ihren Titel von der mythologischen Figur Nimrod, deren Name "rebellieren, sich widersetzen" bedeutet, die sich angeblich Gott widersetzte und vielleicht real existierte (manche setzen Nimrod wiederum mit dem babylonischen Hauptgott Marduk gleich), ableiten, gibt es seit mittlerweile zwölf Jahren, und ich muss vorab schon sagen: Sich mit der Geschichte der Band zu befassen, ist genauso interessant, wie sich mit der Musik auseinanderzusetzen, denn AL-NAMROOD kommen nicht irgendwo her, sondern, wie das Zitat am Anfang schon deutlich machte, aus Saudi-Arabien, genauer gesagt aus der Provinz asch-Scharqiyya. Et voilà: Damit hätten wir dann auch 1/8 aller bekannten, noch aktiven Metalbands aus Saudi-Arabien aufgelistet. Versucht das mal in derselben Zeit mit Finnland. Aber um ernstzubleiben: Aus diesem Land zu kommen, ist für eine Metalband, noch dazu eine solche, sicherlich alles andere als einfach - und das ist noch stark untertrieben. Im Endeffekt lautet die Realität für die drei Musiker: Anonymität, Angst um das eigene Leben und um das ihrer Familie. Zwar ist Metal nicht per se verboten, doch wenn man wie AL-NAMROOD der Apostasie huldigt, damit den Islam dezidiert ablehnt und das dann auch noch mit regierungskritischer Lyrik und Symbolik vermischt, dann spielt man mit dem Feuer, denn die saudi-arabische Theokratie duldet weder Abfall noch Kritik. Willkommen im 21. Jahrhundert. Und trotz der Überlegung, das Land dauerhaft zu verlassen, ist man bisher dort geblieben, und man nimmt die eigene Musik auch weiterhin im eigenen Studio auf. Dazu fallen mir abschließend (eigentlich soll es hier ja um die Musik gehen) nur drei Worte ein: Eier aus Stahl.

Aber zur Musik. Nach einem, wie es klingt, rückwärts abgespielten Intro erwartet uns Hörer auch schon der typische Sound, den wir, sofern wir mit der Band vertraut sind, schätzen und lieben gelernt haben. AL-NAMROODs Mischung aus Black Metal, arabischem Folk und Punk ist nicht nur ziemlich einzigartig, sie fühlt sich anfangs auch etwas sperrig an. Das westliche Ohr ist schlicht nicht an diesen Klang gewöhnt. Als Analogie fiele mir sofort ein Filmemacher wie Takeshi Kitano ein. Auch da tut man sich als Europäer erstmal schwer, bis man dann doch die Klasse erkennt.

Ist der Sound zwar typisch und unterscheidet sich wenig vom Vorgänger "Enkar", ist die Art der Komposition in den ersten Songs verändert. Auf "Enkar" war man des Öfteren nicht rasend, aber doch schnell unterwegs. Die ersten vier (!) Songs von "Wala'at" kriechen betont, geradezu provokant langsam aus den Boxen, was allerdings nicht heißt, dass sie schlecht sind. Im Gegenteil: Direkt 'Sahra Yaesa' überzeugt als Ganzes und entwickelt sich nach mehrfachem Hören zu einem echten Ohrwurm. Sänger Humbaba, der die Band seit 2013 verstärkt, tritt dabei wieder und altbekannt recht kurios in Erscheinung; zwar huldigen die Araber dem Black Metal, doch das typische Keifen und Krächzen hört man hier niemals. Eher erinnert er in der Stimmlage an Juan Brujo von BRUJERÍA und kommt manchmal geradezu beschwingt daher. Das ist anders, das ist skurril, es ist aber vor allem effektiv.

Über die angenehme Spielzeit von knapp 35 Minuten zelebrieren die Drei dann ihre Version von schwarzem, punkigem Metall. Mal groovend, mal scheppernd, aber immer mit dem Sinn für diese eine Melodie, die dann einfach nicht mehr aus dem verdammten Kopf herauswill. Und wenn sie dann in 'Aar Al Estibad' den Punk vollends heraushängen lassen, bin ich einfach nur noch glücklich. Ein durch und durch sehr gutes Album, das nicht ganz an den Vorgänger heranreicht, was aber - trotz meiner Lobeshymne - nicht verwundern sollte, denn "Enkar" ist so nah an einem Meisterwerk, wie man nur sein kann. Chapeau.

Gesamtwertung: 8.0 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood blood dry dry
Trackliste Album-Info
01. Al Hirah
02. Sahra Yaesa
03. Tabqia
04. Kali Be Mekialain
05. Al Shareef Al Muhan
06. Fasique
07. Aar Al Estibad
08. Alhallaj
09. Wahum Althaat
10. Alqaum
Band Website:
Medium: CD
Spieldauer: 36:26 Minuten
VÖ: 22.06.2020

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