Livebericht Rage (mit Motorjesus und Nitrogods)

Ein Livebericht von Opa Steve aus Andernach (Juz-Liveclub) - 02.05.2025 (17384 mal gelesen)
50 Jahre JUZ Andernach! Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Der dazugehörige "JUZ-Liveclub" hat sich vor allem nach seinem Umzug aus der Innenstadt, wo man einst in einem kleinen Katakomben-Raum schon in den Achtzigern kultige Konzerte veranstaltete, auch schon mehrere Jahrzehnte an seinem modernen Sitz im Sportzentrum Andernach einen überregionalen Ruf erarbeitet und findet sich auch regelmäßig in den Jahrespolls der großen Magazine unter den schönsten Metal-Liveclubs Deutschlands. Die Lage mit guten Parkmöglichkeiten und der lautstärketoleranten Umgebung am Stadtrand ermöglicht Konzerte bis zu 600 Besuchern, auf dem dazugehörigen Außengelände sogar noch deutlich mehr. Dazu kommen stets faire Preise, ein engagiertes Team an Helfern, mit denen man nach vielen Jahren durchweg per Du ist, eine sehr ordentliche Akustik und auch Bands von Weltruhm, die immer wieder gern nach Andernach zurückkommen. Zur Jubiläumsveranstaltung ist ein Doppel-Konzertwochenende geplant und am ersten Abend hat man als Auftakt RAGE verpflichten können, die den Club schon mal mit circa 350 Besuchern auf eine angenehme Wohlfühldichte bringen werden. Wir haben beide Abende begleitet und nach diesem Konzertbericht blättert gern in ein paar Tagen weiter, wenn wir vom Folgeabend berichten, denn so viel sei schon verraten: Es steigert sich noch!

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Aber zuerst zu RAGE ... nein, sie haben ja noch ein paar Bands mitgebracht ... ach stopp, eine Sache muss doch noch zuerst erwähnt werden: Dass es leider wie schon nach Weihnachten nicht möglich war, für den frühen Einlass wenigstens eine Imbissbude vor dem Club aufzustellen, trübt die Freude schon ein wenig und das wurde dem feierlichen Anlass nicht gerecht. Zum Glück wurde es rechtzeitig auf den Sozialen Medien kommuniziert und die anwesenden Wochenend-Camper waren eh Selbstversorger, aber das ist etwas, wo noch Luft nach oben ist. So beginnt der Tag heiß, die Sonne knallt und alle freuen sich auf die (noch) kühlen Innenräume und ein noch viel kühleres Bier.

imgleftPünktlich im Zeitplan betreten die Kölner GUN BARREL die Bühne. Mit dem groovigen 'Damage Dancer' vom letzten Album (das auch schon zehn Jahre auf dem Buckel hat!) locken sie schon die ersten 50 Leute in die Halle. Wer die Band kennt, darf sich durchaus über den Mann am Mikro wundern, denn es ist kein bekanntes Gesicht. Relativ knapp im Frühjahr hat die Band bekannt gegeben, dass sie nun "Vinnie" am Mikro haben. Über Vinnie ist uns leider noch nicht viel bekannt, aber seinen englischen Aussagen nach dürfte er kein Ur-Kölner sein. Die Mischung aus traditionellem Hardrock und Uptempo-Metal entpuppt sich als außerordentlich geeignet und man muss der Band bescheinigen, dass sie durch stetige Leistung ihre Überzeugungsarbeit mit Nachdruck erledigen. Die Spannungskurve steigt nämlich stets, genauso wie die Anzahl der Zuschauer. Schon bei 'Roll Of The Dice' gibt es die ersten Singspiele mit dem Publikum, die auch begeistert mitgemacht werden. Einer meiner persönlichen Höhepunkte ist dann aber das darauffolgende 'Bashing Thru', welches auch ein starker SAXON-Song hätte sein können und von Vinnie klasse gesungen wird. Nachdem es im Mittelteil kurz etwas ruhiger wird, knallt 'The Wild Hunt' als Banger noch mal richtig die Matten durch. Positiv ist auch, dass hier schon der erste Opener - genau wie eigentlich alle Bands des Abends - einen sehr ordentlichen Sound hat. Im Laufe der nahezu ein Dutzend Songs schwillt die Menge der Besucher in der Halle auf geschätzte 250 Leute an und ich muss sagen, dass GUN BARREL im Opener-Slot alles richtig gemacht haben.

imgrightDie NITROGODS sind zwar nur ein Trio, aber wie sie die Bühne einnehmen, ist schon ganz großes Kino. Mit 'Black Car Driving Man' bringen sie sofort den fetten Rock'n'Roll und rauen Groove in den JUZ-Liveclub. Claus mit seiner "Fast-Lemmy-Stimme" imponiert nicht nur durch Körperfülle, sondern auch durch seinen gigantischen Bart, der den Kopf untenrum noch mächtiger erscheinen lässt als oben, wo die Kappe stabil sitzt. Henny beansprucht den Rest der Bühne für sich. Der Gitarrist mit einer unglaublichen Agilität und originellen Grimassen passend zum Riff oder Lead steht keine Sekunde still, tauscht nach fast jedem Song seine Gitarre. So auch direkt beim Sprung ins letzte Album "Valley Of The Gods", dessen Titelsong nun zum Besten gegeben wird. Tatsächlich ist die Band ja in dieser Besetzung schon 15 Jahre zusammen. Offenbar eine gute Entscheidung von Henny, denn seine Engagements bei PRIMAL FEAR, SINNER oder THUNDERHEAD waren deutlich kürzer. Phänomenal auch seine originelle Backline, die aus einer recht ramponierten Box mit 2x12" (?) bestand - was für Metal ja schon sehr untertrieben ist -, auf der ein winziger Gitarrenamp mit 60er-Jahre-Haushaltsgeräte-Charme thronte. imgleftAls ich Henny später nach dem Gig treffe, verrät er mir, dass darin ein kompletter Marshall auf engstmöglichem Raum zusammengedrahtet wurde. Understatement pur! Während der Songs wie 'Rats And Rumors', 'Boogeyman' oder 'Rancid Rock' süffelt Claus derweil sein dunkles Hefeweizen am Mikroständer weg, welches er noch mindestens zwei Mal komplett auffüllen lässt - kommentiert mit den Worten "Logistik ist alles!". Zu 'Lipsynch Starz', welches von Playback-Bands handelt, gibt es dann mittendrin einen coolen Jam zwischen Drummer Klaus Sperling (mit einem Drumstick sowie einer Bierflasche!) und Henny. "Um zu beweisen, dass hier alles live zugeht! Denn das bekämen wir niemals einstudiert!". Die MOTÖRHEAD-typischen Titel wie 'Rancid Rock' oder der Megabanger von der aktuellen Scheibe, 'Left Lane To Memphis', bringen das Publikum natürlich am besten zum Kochen. 'Kings Of Nothing' wird dann im Refrain lautstark vom Publikum mitgesungen und beendet den offiziellen Hauptteil des Gigs, bevor 'Wasted In Berlin' als Zugabe noch mal die Matten fliegen lässt. Ein verdammt geiler Gig, der die Stimmung auf das nächste Level hebt.

imgrightWenn die Bühne aussieht wie eine Filmtankstelle, dann weiß man Bescheid: Hochoktaniger Rock'n'Roll von MOTORJESUS ist angesagt. Nach dem Rock'n'Roll der NITROGODS irgendwie eine konsequente stilistische Fortsetzung. Die Band aus Nordrhein-Westfalen steigt auch direkt mit einem Doppel ein, welches die erste Dekade bereits hinter sich gebracht hat: 'Trouble In Motor City' und 'Dead Army' balancieren zwischen Lässigkeit und Drive, können aber die Köpfe noch nicht ganz enthusiastisch zum Wackeln bringen, da die Band leider keinen guten Soundstart erwischt und die Gitarre deutlich zu leise ist. Erschwerend kommt hinzu, dass kurz vor dem Gig Gitarrist Paddy die Band verlassen hat.

imgleftMit dem brandneuen Titel 'Somewhere From Beyond' und seinen catchy Melodien geht es weiter, aber auch dieser leidet noch etwas unter dem Sound und natürlich unter der Tatsache, dass er im Publikum noch nicht so bekannt ist. Lustigerweise sagt Chris den Titel auch noch falsch an, was ihm beim Rest des Sets noch öfter passieren sollte. Er schiebt es humorvoll auf die nicht vorhandene Brille und beugt sich dann immer besonders tief über die Setlist. Vielleicht war auch der Druck einfach zu klein. Mit den Klassikern schaffen es MOTORJESUS aber, das Publikum mehr und mehr aufzutauen. Und entweder hat man sich an den Sound mittlerweile gewöhnt, oder die Gitarre ist auch langsam besser zu hören. Vor 'Fist Of The Dragon' wirft Chris dem Publikum die ganzen 80er Action-Trash-Helden an den Kopf: Steven Seagull, Schwarzenegger, Chuck Norris ... Als dann aber nicht jeder im Publikum darauf reagiert, stellt er verwundert fest: "Ich verstehe - ihr seid eher Kinder der Neunziger!". Mit dem Titelsong des Albums 'Hellbreaker' hat die Band in der Mitte des Sets noch einen richtigen Hit platziert. Das Publikum wird derweil durch den "Reifen der totalen Zerstörung" weiter angeheizt: Ein beliebtes Gimmick auf MOTORJESUS-Gigs, nämlich ein großer aufgeblasener Plastikreifen, in welchen sich die Leute zum Crowdsurfen reinlegen. Auch die übrigen Klassiker sind natürlich bekannt und Evergreens. So wird auch der "Motorjupp" frenetisch auf der Bühne begrüßt, als er die Menge segnet und mit Kaltgetränken versorgt. Das brutale 'The Howling' darf das Set dann irgendwann beenden, bevor sich die Band zu den Klängen von 'The Outrun' verabschiedet. Schade, dass MOTORJESUS nach der Steilvorlage der NITROGODS die Anlaufschwierigkeiten hatten, denn an sich war der Gig schon super, aber sie hätten noch eine Steigerung der Stimmung verdient gehabt. Die volle Betriebstemperatur war hier erst bei 'Hellbreaker' wieder erreicht.

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imgleftEs wird Zeit für den Headliner. Der mit RAGE aus Herne stabil besetzt ist. Persönlich hatte ich mir hier nach etwas viel RAGE in meinem Leben etwas Frischeres gewünscht, aber warum die Wahl dennoch perfekt war, wird sich im Laufe der kommenden Zeilen noch aufklären. Mit dem Intro aus 'Cold Desire' aus dem 2024er "Afterlifelines" geht es klaviermäßig los. Ja, und dann bricht plötzlich ein Soundinferno aus den Boxen, als das Trio loslegt. Vorne wird man nahezu weggefegt. Das Schlagzeug hämmert und drückt ohne Unterlass, wenn Lucky mit einem harten und präzisen Punch zuschlägt. Und was ein Bass und eine Gitarre für eine Wall Of Sound erzeugen können, habe ich selten erlebt wie jetzt bei RAGE: Rau und fett, was den Songs noch mal einen Extrabonus Energie verleiht. Nach dem groovigen 'Straight To Hell' kommt direkt eines meiner Lieblingsstücke: 'Solitary Man' aus der extrem kreativen Phase mit Manni Schmidt aus den Neunzigern. Jean Borman meistert dieses Signature-Riff auch echt gut, wovon wir uns schon im Vorjahr auf dem Krawall'O'Rock in der Eifel überzeugen konnten. imgrightWahnsinn, was die Band mittlerweile in ihren vier Dekaden an Klassikern und Historie angesammelt hat. Im JUZ-Liveclub lassen sie es heute aber richtig krachen und toppen ihren Gig vom Krawall'O'Rock noch mal um Längen. Selbst die etwas unaufregenden Titel wie 'Days Of December' kommen angesichts der Spielfreude heute richtig aufgewertet rüber. Das Publikum singt die meisten Refrains mit, Jean animiert zwischen seinen Saitenanschlägen immer wieder zum Bewegen oder die Arme im Takt zu schwenken. Dazu gibt es auf der Bühne massenweise Nebel, sodass die Band über ganze Teile des Gigs permanent im Rauch steht. Das Set hat eine ziemlich gute Balance aus alten und neuen Titeln. Ich finde es nach wie vor sehr schade, dass RAGE leider die ganz alten Klassiker der Ur-Besetzung aus ihrem Programm verbannt. Auch 'Hand Of Glory', 'Echoes Of Evil' oder 'Machinery' hätten es verdient, mal wieder gespielt zu werden. Dafür muss man Peavy Wagner bescheinigen, dass zwar äußerlich seinem Alter entspricht, aber stimmlich dermaßen auf der Höhe ist, dass es eine wahre Freude ist.

imgleftSo wird aus dem erwarteten "been there, done that"-Klassikerset doch tatsächlich ein Abend, an dem RAGE vollends begeistern können. Die Band liefert top in Form ab, Luckys Mischung aus Präzision und Druck ist unglaublich, Jean ist optisch und akustisch Guitar-Hero-Oberklasse und Peavy klingt unverwüstlich gut. Das ist trotz der raschen Wiederholung eines RAGE-Gigs einer von der Sorte, wo man einfach nur den "Wow!"-Moment hat. Dies werden mir auch Freunde und Bekannte am Ende dieses Abends noch bestätigen. Mit 'Don't Fear The Winter' und seinem ikonischen Refrain endet dann auch das reguläre Set, bevor die Band noch in einen Zugabenblock einsteigt, der mit 'Higher Than The Sky' aus der Phase mit den beiden Efti-Brüdern sowie Sven Fischer (Ex-PYRACANDA) endet.

Ein fabelhafter Abend mit begeisterten Zuschauern endet und wir machen uns auf den Heimweg, um uns für den morgigen Tag mit DARK TRANQUILLITY, MOONSPELL und HIRAES auszuschlafen. Fortsetzung folgt ...

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Location Details
Juz-Liveclub in Andernach (Deutschland)
Website:juz-live-club.de/
Adresse:Stadionstraße,
Andernach
Anfahrt:Einfach den Schildern zum Sportzentrum folgen. Der JUZ-Liveclub liegt hinter dem Kandi-Kletterturm gegenüber dem Trampolino. Parkplätze gibt es in der ganzen Straße in ausreichender Menge. Für Mahlzeiten empfehlen wir die Pizzeria an den Tennishallen schräg gegenüber, an gut besuchten Tagen steht auch ein Imbisswagen mit vortrefflichen Frikadellenbrötchen und Würstchen/Pommes vor der Tür.

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