Livebericht Die Apokalpytischen Reiter (mit Deserted Fear und Cypecore) |
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Ein Livebericht von Krümel aus Andernach (Juz-Liveclub) - 27.12.2018 (25734 mal gelesen) |
Als wir am JUZ-Liveclub in Andernach eintreffen, verspricht die Besucherlage noch einen recht entspannten Abend. Doch dies ändert sich binnen 30 Minuten rasch und uns wird klar, dass wir heute mit Full House rechnen müssen. Schon beim Opener CYPECORE ist die Clubhalle so gefüllt, dass man nur noch an den Seiten halbwegs entspannt durchkommt. Die Industrial/Melodic Deather aus Deutschland bieten auf der Bühne eine für Metal-Shows ungewöhnliche, aber dennoch interessante Präsentation. In futuristischen Endzeitkostümen mit LED-Beleuchtung kommt die Band beinahe gesichtslos auf die Bühne. Denn die Lightshow wird minimiert, um den Bodylights genügend Strahlkraft zu geben. Darüber hinaus sind die Beleuchtungen auch noch getaktet und verändern sich bei allen Bandmitgliedern synchron während der Songs. Ein nettes Show-Gimmick, was beweist, dass solche Konzepte nicht nur einer Blue-Man-Group oder großen Produktionen vorbehalten sind. Als Nicht-Kenner der Band kann mich die Musik allerdings nicht ganz so fesseln wie die Show. Der kalte Death Metal mit ständiger Synthie-Untermalung und einer apokalyptischen Ausstrahlung baut zwar eine Menge Melodien ein, aber ich finde durch die heutige Erstsichtung des Materials keinen richtigen Flow in den Songs und empfinde die Titel auch als relativ gleichförmig. Im Kopf bleiben aber die epischen Hammerrefrains der Marke 'Dreamsmasher', wie sie bei CYPECORE in vielen Songs auftauchen. Doch kaum verfallen sie wieder in technische oder corelige Riffs, flauen meine Emotionen schnell ab und ich genieße einfach weiter die Optik. Vielleicht liegt es auch an der recht statischen und stark playbackbasierten Aufführung aller Titel. Nicht nur die Synthies kommen als permanente Einspieler, sondern auch der Bass (Originalbasser Chris Heckel verstarb erst im Herbst nach einer schweren Erkrankung). Nach einer kurzen Umbaupause startet als zweite Band des Abends DESERTED FEAR. Die Eisenberger sind seit einigen Jahren Death-metallisch unterwegs und zählen zu den deutschen Hoffnungsträgern dieses Genres. Ob sie heute die Erwartungen erfüllen können? Als das Intro startet ist der Innenraum des JUZ genau wie beim Opener-Act wieder brechend voll, so dass man wirklich um einen halbwegs guten Platz kämpfen muss. Der Vierer entert die Bühne und legt dann ohne Umschweife bretternd los. Von der ersten Minute an knallen die Stücke ordentlich aus den Monitoren. Obwohl in Kürze ein neues Album an den Start geht, präsentiert man in der Hauptsache Songs der beiden letzten Werke. 'The Fall Of Leaden Skies', 'The Carnage' oder 'Bury Your Dead' kommen beim Publikum bestens an. Sichtlich überrascht von dem positiven Feedback, werden DESERTED FEAR mit jedem Stück lockerer. Sowohl die Performance als auch die sympathischen Ansagen von Fronter Manuel (die man wegen des Dialekts zwar nicht immer so gut verstehen kann, aber egal - wir sind ja nicht zum Labern hier) überzeugen und begeistern, sodass sich die Meute im Zuschauerraum gerne immer wieder zu lauten "hey, hey, hey"-Rufen anheizen lässt. O-Ton einer Zuschauerin (die ich mit ihrer Erlaubnis zitieren darf): "Das ist geil! Sehr ansprechend, sowohl optisch als auch musikalisch für das Gehör. Das ist Metal wie man ihn sich wünscht - einfach voll in die Fresse; das reißt einen mit. Da kann man nicht stillhalten!" Leider ist der gelungene Auftritt viel zu schnell vorbei, aber den anschließenden großen Applaus haben sich die vier Kerle redlich verdient. Da wundert es natürlich nicht, dass nach dem Gig viele Leute zum Merchstand gehen, um sich mit CDs, Shirts etc. einzudecken oder um einen Schnappschuss mit allen Bandmitgliedern zu machen. DESERTED FEAR haben an diesem Abend sicherlich einige Fans dazu gewonnen. Nach dem brutalen, aber obersympathischen Gig der Thüringer wird es jetzt Zeit für die berühmte musikalische Mischung aus Finesse, Gaudi, Schmackes und allgemeiner Freigeistigkeit. Die APOKALYPTISCHEN REITER sind endlich wieder in Andernach zu Gast und sorgen für ein volles Haus im wörtlichen Sinne. In den ersten Reihen stehen Die Hard-Fans, die sich ihren Platz gesichert haben und später noch viele Songs - teilweise hochemotional - mitsingen werden. Ein wirkliches "vorne" gibt es im Liveclub nicht mehr, denn bis hinten ans Merchandise stehen die Besucher so eng, dass es kaum noch ein Durchkommen gibt. Auf der Empore hat sich ein Großteil des Tourtrosses und VIP-Gäste eingefunden, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollen. Die Bühne ist farbig bunt, blutrot dominiert allerdings deutlich. Und nach dem Intro geht es auch direkt mit der obligatorischen Frage los, ob man sie vermisst hätte. Die Antwort lautet lautstark: 'Wir Sind Zurück' von der 2017er Scheibe "Der Rote Reiter", die auch in der Redaktionsrezension für sehr gute Kritiken sorgte, knallt mächtig aus der Anlage und reißt das Publikum sofort mit. Gefolgt wird er vom Opener des "Licht"-Albums: 'Es Wird Schlimmer'. Aber schlimmer wird hier gar nichts. Reiter und Publikum spielen sich in den ersten Songs prima aufeinander ein. Schon beim 'Adler' ermuntert Frontsympath Fuchs einen offenbar bekannten Fan aus den ersten Reihen zum Crowdsurfen ("Hey, du wartest doch schon wieder drauf, oder? Na los!"). Die Stimmung erreicht schnell den besonderen Level, der ein Reiter-Konzert ausmacht. Es ist irgendwie positiv ausgelassen, aber dennoch gibt es echte heavy Titel und flotte Songs mit Vollgasmentalität. Aber die Verspieltheit und diese extrem gute Bindung zwischen Fuchs und dem Publikum machen den besonderen Charme aus. Wenn ihm das Publikum mal zu leise ist, schreit er nicht das übliche "Lauter!" sondern fragt mit Entertainer-Qualitäten lieber "Seid ihr schüchtern oder einfach nur gut erzogen?". Nach dem 'Seemann', welches aus vollen Kehlen vom Publikum mitgesungen wird, gibt es mit einem kurzen Drumsolo eine erste Zäsur. Die Band geht von der Bühne, um anschließend im neuen Outfit wiederzukommen. Lange Mäntel und Schweißerbrillen erinnern eher an kalte NDH-Bands als an ein Wohlfühlevent. Doch dann wird auf der Bühne Schwarzlicht geschaltet und die düster zurückgekehrte Band erscheint plötzlich voller bunter Farbsprenkler. Ein toller Effekt, mit dem die Band 'Der Rote Reiter' zelebriert und mit den tiefen Growls in die Melodic Death-Richtung eindringt. Noch brutaler wird es mit dem alten Titel 'Die Schönheit Der Sklaverei', der den Höhepunkt der Härtegrade für diesen Gig markiert. Nach dem Drumsolo darf im normalen Outfit nun auch Ady ran und spielt ein melodisches Gitarrensolo allein auf der Bühne. Anschlag und Ton kommen bei dem guten Sound fabelhaft rüber und sorgen für Gänsehaut und Hörgenuss ohne Action im Publikum. Diese Erholungspause braucht man auch, denn das bewegungsfreudige Publikum bekommt jetzt endlich wieder Programm zum Mitmachen. Während es früher bei den größeren Festivalgigs schon Schlauchbootrennen gab, nehmen die paar Hundert Besucher heute ein halbes Dutzend Riesenballons dankbar zum Spielen an, die sofort quer durch die Halle geschubst werden und für ein spaßiges Hallo und Miteinander sorgen. Das ein und andere Mal platzt auch ein Ball, und ich sorge mich vor allem über die große Spiegel-Discokugel an der Decke, die mehrmals ordentlich angesemmelt wird. Dazu gibt's musikalisch 'Der Kleine Wicht' und die Menge geht zwischen Pogo und Ballsport steil. Als jedoch 'Reitermania' angezählt wird, gibt es absolut kein Halten mehr. Die Ordner fischen die Crowdsurfer ab, die Menge brüllt den Refrain mit, und die Stimmung erreicht ihren nächsten Höhepunkt. Die Band hat - passend zu Weihnachten - sogar Geschenke mitgebracht, die gegen kleine Aktionen im Publikum verteilt werden. Die aufgekratzten Fans danken es und bilden bei 'Nach Der Ebbe' auf dem Boden sitzend mehrere Ruderreihen im Publikum, die zum Takt die Galeere mimen. Kann man die berühmte Zeit "zwischen den Jahren" besser feiern? Nein. Insgesamt präsentieren DIE APOKALYPTISCHEN REITER ein lang anhaltendes Fest und einen denkwürdigen Headliner-Gig. Mit "Der Rote Reiter" hat die Band nach einer etwas ruhigeren Phase wieder gut Dampf auf dem Kessel und das macht natürlich mächtig Rückenwind auf der Bühne. Kein Wunder, dass sie das Album fast vollständig spielen, und bei dem großen Set an Hits in der Hinterhand ist es auch klar, dass ein Gig der Reiter heutzutage kein kurzer ist. Die 90 Minuten-Grenze wurde mit der riesigen Setlist locker gesprengt, ohne dass die Stimmung zu irgendeinem Zeitpunkt abgesackt wäre. Ein wunderbarer Abend - was sicherlich auch die Band so empfunden hat, als sie sich nach 'Wir Reiten' nochmal ausgiebig vom Publikum bedankt und sich auf der Bühne verabschiedet. |
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