Interview mit Jennie-Ann Smith und Marcus Jidell von Avatarium

Ein Interview von des vom 10.12.2015 (10568 mal gelesen)
Die Schweden AVATARIUM befinden sich nach zwei großartigen Alben auf einem steilen Weg nach oben. Auf ihrer Headlinertournee mit THE VINTAGE CARAVAN und HONEYMOON DISEASE hatten wir in der Szene Wien die Möglichkeit, ein Interview zu führen. Kurz vor ihrem Auftritt begrüßen uns Sängerin Jennie-Ann Smith und Gitarrist (und Ehemann) Marcus Jidell in ihrer Garderobe und beantworten trotz der Tatsache, dass der Auftritt in wenigen Minuten starten soll, bereitwillig unsere Fragen. Marcus Jidell spielt sich dabei warm, während sich Jennie-Ann Smith während des Interviews schminkt.

Es scheint, dass ihr das ziemlich entspannt angeht? Ihr wart noch in Wien beim Sightseeing und seid erst jetzt kurz vor dem Auftritt in die Halle gekommen. imgleft

Jennie-Ann Smith: Nein, wir waren nicht Sightseeing, sondern sind nach Wien gefahren, um ein paar Leute unserer Familie zu treffen. Und wir hatten ein riesiges Schnitzel [lacht].

Marcus Jidell: Meine Mutter ist aus Salzburg und mein Cousin und mein Onkel leben auch dort. Aber die Sachertorte als Dessert haben wir weggelassen, sonst könnten wir heute hier nicht spielen.

Ihr seid kurz vor dem Auftritt - habt ihr eigentlich ein Ritual, das ihr vor der Show durchzieht?

Marcus Jidell: Ich denke, jeder bereitet sich auf seine Art auf den Auftritt vor. Ich bin üblicherweise alleine, nehme meine Gitarre und versuche in die richtige Stimmung zu kommen. Carl [Westholm, keys] zum Beispiel rennt herum wie ein Verrückter und checkt alles immer zehn Mal, jeder macht seine eigenen Sachen.

Ihr seid also nicht wirklich aufgeregt vor einem Auftritt?

Jennie-Ann Smith: Wir sind schon aufgeregt, aber nicht nervös.

Marcus Jidell: Was wir eher machen, ist, dass wir versuchen, ruhig zu werden, um bereit zu sein.

Auf Tour reist ihr mit einem Bus? Ist das anstrengend?

Marcus Jidell: Die ersten beiden Tage ist es immer schwierig, im Bus zu schlafen, bis man sich daran gewöhnt hat. Auf dem Weg hierher fuhren wir durch die Tschechische Republik über Straßen, die in schlechtem Zustand waren. Es war eine holperige Fahrt und ich denke, heute Morgen haben alle etwas müde ausgesehen. Ich bin in der Nacht fast aus meinem Bett gefallen.

Wie funktioniert das mit einem Mädel im Tourbus?

Jennie-Ann Smith: Eigentlich sind wir in Summe drei Mädels, wenn man die beiden von HONEYMOON DISEASE mitzählt. Wir gehen es ruhig an, gehen früh zu Bett und wachen am nächsten Morgen an einem neuen Ort auf. Man wird das gewohnt. imgright

Marcus Jidell: Für die Männer ist es ein Unterschied in einem gemischten Bus. Wenn ein paar Mädels mitreisen, muss sich jeder nett benehmen. Aber es ist immer eine gute Sache.

Habt ihr auch Zweifel an der Tour gehabt oder euch überlegt, die Tour zu canceln nach den schrecklichen Anschlägen in Paris?

Jennie-Ann Smith: Ich habe viel darüber nachgedacht. Doch es ist wichtig, dass wir aufzeigen und für unsere Kultur einstehen, die für Toleranz steht.

Marcus Jidell: Ja, wirklich. Diese Leute attackieren unsere Kultur, Musik, diese ganzen Dinge - und Musik ist für mich ein wichtiger Teil der modernen westlichen Kultur, die Freiheit, seine Meinung auf unterschiedlichste Art auszudrücken. Es ist extrem schändlich, was sie tun. Sie versuchen, dass unsere westliche Kultur einige Schritte rückwärts macht, und wir haben Angst davor, denn es ist notwendig, einen Schritt vorwärts zu machen und sich weiterzuentwickeln. Für mich ist es extrem wichtig, dass wir weitermachen mit dem was wir tun.

Andere Bands, wie zum Beispiel die FOO FIGHTERS, haben ihre Europatourneen gecancelt. Könnt ihr das verstehen?

Marcus Jidell: Ja, natürlich. Das sind auch sehr große Bands, die auf großen Veranstaltungen spielen und dementsprechend exponierter sind. Aber ich denke trotzdem, dass das nicht der richtige Weg ist. Ich kann es natürlich verstehen, hoffe aber, dass sie wieder weitermachen, weil wir einfach diese Freiheit brauchen.

Wenn Du sagst "große Bands" - AVATARIUM ist auch nicht mehr so klein.

Marcus Jidell: Ja, wir werden auch größer und größer und es gibt uns erst eine relativ kurze Zeit. Für uns passiert gerade sehr viel und wir sind extrem happy darüber. Wir sind aber bei weitem nicht auf diesem Level wie die zuvor angesprochenen Bands, aber natürlich versuchen wir es, als Band besser und besser zu werden und immer bessere Musik zu machen. Hoffentlich werden die Leute dem folgen.

Jennie-Ann Smith: Ich denke, es ist ganz wichtig, die Musik in dieser guten Qualität beizubehalten. Wir sind sehr froh, wie es derzeit läuft und dass wir die Chance haben, diese Tour zu spielen. Am Ende kommt alles darauf an, wie gut die Musik ist, die man spielt. Seid ihr auch Musiker?

Nur passiv :-)

Marcus Jidell: Es war immer das Wichtigste für AVATARIUM als Band so gut zu sein wie möglich. Es ist innerhalb der Band ein extrem gutes Umfeld, um zu arbeiten. Auf der anderen Seite sind wir aber auch extrem pingelig mit unseren Songs und allem drumherum. Es ist auch wichtig, dass wir uns selbst managen. Und wir sind einfach glücklich, dass auch andere Leute das mögen, was wir machen.

Das heißt, ihr seid auch überzeugt, dass eure Popularität nicht nur davon kommt, dass Leif Edling in der Band ist, der durch seine Arbeit mit CANDLEMASS eine Berühmtheit ist?

Marcus Jidell: Natürlich hilft es, Aufmerksamkeit zu bekommen; er ist ja schließlich eine Ikone des Metal. Aber wenn es nur das wäre, würden wir nicht dort stehen, wo wir sind. Ich denke, Leif ist ein extrem talentierter Songwriter and Jennie-Ann ist eine extrem talentierte Sängerin, was eine sehr gute Kombination ist. Und ich selbst habe die Möglichkeit, in meinem eigenen Studio zu produzieren. Das ergibt für uns eine gute Basis, um gut zusammen zu arbeiten.

Jennie-Ann Smith: Es passt einfach die Konstellation. Leif ist ein exzellenter Songwriter; er gibt uns aber die Freiheit, die Songs so zu interpretieren, wie wir glauben, dass es am besten ist. Es ist eine sehr coole Zusammenarbeit und ich denke, dass er sich auch ständig weiterentwickelt

Marcus Jidell: Er versucht ständig, besser zu werden. Wir sagen nicht "ok, das Album war gut, lasst uns dasselbe auf dieselbe Art zu machen". Wir versuchen ständig, uns weiterzuentwickeln und neue Wege zu versuchen.

Ihr habt jetzt zwei großartige Alben veröffentlicht - habt ihr schon ein drittes in der Pipeline?

Marcus Jidell: Nicht wirklich. Wir hatten so viel Arbeit mit dem Album; wir haben sehr viel Promotion gemacht und jetzt sind wir gerade auf Tournee. Wir beginnen erst mit den ersten kleinen Gedanken.

Eine andere Frage: ich habe mir die Mühe gemacht und eine Art Organigramm gezeichnet - wenn ich die Zusammensetzung eurer Band ansehe, scheint jeder in Schweden mit jedem irgendwie verbunden zu sein, sei es über CANDLEMASS, OPETH, TIAMAT etc. Nur Jennie-Ann steht dort ohne Verbindung. Wie kommt das?

Marcus Jidell: Sie ist die Wild-Card, hehe.

Jennie-Ann Smith: Ich habe eigentlich nichts zu tun mit der Hardrock-Szene. Musikalisch habe ich einen anderen Background.

Beruflich hast du mit Musik auch nichts zu tun, oder?

Jennie-Ann Smith: Ich bin eigentlich eine psychosoziale Beraterin und arbeite in einem der größten Krankenhäuser Schwedens. Ich studiere Psychotherapie in Schweden und kombiniere das mit Musik. Neben den Shows musste ich dafür ein Gutachten machen - ich stand um vier in der Früh auf, habe den Report per mail verschickt, und dann waren wir auch schon in London. Wenn man es will, geht alles.

Wenn man das neue Album hört, bemerkt man ein paar jazzy Einflüsse

Marcus Jidell: Es ist auch gut, wenn man aus verschiedenen musikalischen Richtungen kommt, weil man unterschiedliche Einflüsse hat. Jennie-Ann kommt mehr aus der Jazz-Richtung, Leif und ich mögen ganz unterschiedliche Dinge, wir treffen uns aber bei LED ZEPPELIN, CROSBY STILLS & NASH, wir mögen aber auch ein paar Pop-Sachen. Wir wollen aber nicht klingen wie eine Jazz-Band. Es geht vielmehr darum, Musik zu machen, die wir heutzutage selbst vermissen, wie alte BLACK SABBATH und Fünfzigerjahre-Rock 'n' Roll oder DEEP PURPLE. Und all diese Musik hatte eine Art jazzy Groove, eine Art von Musik, die in den Achtzigern komplett verschwunden ist und nicht wieder gekommen ist. Wir versuchen es aber, ein bisschen von diesem Feeling zurück zu bekommen.

Jennie-Ann Smith: Ich denke, wenn man das alles kombiniert, kann man etwas Neues erschaffen. Und wir hatten beim neuen Album viel Zeit zu diskutieren, in welche Richtung wir gehen wollen und wie das Album klingen soll. Auch der Produktionsprozess lief dieses Mal ganz anders ab. Ich war dieses Mal viel stärker involviert in die Produktion und die Arrangements. Wir haben viel enger zusammen gearbeitet und man hört viel mehr von uns als gesamte Band.

Marcus Jidell: Es funktioniert auch nicht so, dass man sagt, man mag dieses oder jenes. Die Kunst liegt darin, alles auf eine geschmackvolle Art zusammenzufügen. Das ist das Schwierigste für mich, die Dinge herauszupicken, die ich mag und dann in das Gesamtwerk einzubringen. Das ist wie ein Fruchtsalat, den man auch auf geschmackvolle Art zusammenmixen muss. Das war für mich sehr schwierig und hat enorm lange gedauert, um all diese Einflüsse unter einen Hut zu bringen.

Eine letzte Frage: Jennie-Ann, du kannst nicht verleugnen, dass Ronnie James Dio ein großer Einfluss ist für dich, oder? Du klingst wie eine weibliche Version von ihm.

Jennie-Ann Smith: Ich bin außerordentlich geschmeichelt, dass du das sagst! Aber das ist völlig unbeabsichtigt! Natürlich war ich immer ein großer Fan von Ronnie James Dio. Als ich fünfzehn Jahre alt war, war ich einer Rockband und die Leute in der Band haben ständig RAINBOW gehört und wir haben ein paar Songs von denen gespielt. Ich mag RAINBOW wirklich sehr und sein Stimmumfang und seine Power waren unglaublich.

Marcus Jidell: Ich denke, eine Sache ist einzigartig mit Jennie-Ann: sie kommt nicht aus dem Hardrock, hat aber diese Dynamik. Und ich denke, das ist das Gleiche, was Dio ausgezeichnet hat. Sie kann soft und schön singen, aber im nächsten Moment ihre Screams rauslassen.

Ihr füllt mit eurer Musik eine Lücke! Danke für das Interview und viel Erfolg weiterhin!

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