Ein Interview von Metal Marcus vom 03.04.2025 (16245 mal gelesen)
40 Jahre und kein bisschen leise. Wieso gibt es nach so vielen Jahren endlich eine Bandhymne und wie schaffen es DESTRUCTION, die richtige Balance zwischen Moderne und Räudigkeit zu finden? Die Antworten hat Gitarrist Martin Furia, der auch für die Produktion des neuen Albums zuständig war.
Hallo Martin. Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, meine Fragen zu beantworten. Starten wir mal mit einer Frage direkt an dich: Wie fühlt es sich an, nunmehr Teil einer Band zu sein, die - wenn auch mit leichten Unterbrechungen - seit 40 Jahren im Geschäft ist?
Martin Furia: Hallo! Danke, dass ich dabei sein darf! Es ist ein tolles Gefühl, Teil von DESTRUCTION zu sein. Ich bin schon seit fast zehn Jahren dabei, wenn man meine Zeit als Tontechniker, Tourmanager und Gitarrist mitzählt. Es ist eine fantastische Erfahrung, mit diesen Legenden zu spielen und unseren treuen Fans auf der ganzen Welt nahe zu sein. Ich genieße jede Sekunde und bin immer bereit für neue Abenteuer.
Wo sind nach deiner persönlichen Einschätzung die Unterschiede zwischen "Diabolical" und "Birth Of Malice"?
Martin Furia: Ich denke, es liegt nicht so sehr an den Unterschieden. Ich sehe es als natürlichen Nachfolger von "Diabolical". Es gibt viel Tempo, Melodie, zwei Gitarren, viel Action von der rechten Hand und Groove. Wir haben das, was wir mit "Diabolical" begonnen haben, noch etwas weiter ausgelotet und bis zum Äußersten getrieben. DESTRUCTION muss wie DESTRUCTION klingen, und ich denke, wir haben es großartig geschafft, die Essenz lebendig zu halten und neue Nuancen hinzuzufügen, um den Sound der Band weiterzuentwickeln und frisch zu halten.
Du spielst nicht "nur" Gitarre auf "Birth Of Malice", sondern zeigst dich auch für Mix und Mastering verantwortlich. Ist es für dich einfacher oder schwieriger, etwas zu mischen und mastern, bei dem du selbst auch mitspielst?
Martin Furia: Es ist nicht wirklich einfacher, da man sehr stark in den gesamten Prozess involviert ist und es manchmal schwierig ist, den Überblick zu behalten. Aber ich habe bereits viel Erfahrung und hatte schon vor Beginn der Aufnahmen eine klare Vorstellung davon, wie das Album klingen sollte. Hinzu kommt die Erfahrung als Tontechniker bei Live-Auftritten, die mich sehr inspiriert hat, und ich habe versucht, den Sound so nah wie möglich an die Live-Situation heranzubringen.
Der "teutonische Thrash-Metal", der ja grad durch Bands wie SODOM, KREATOR und eben auch DESTRUCTION sehr geprägt wurde, zeichnet sich vor allem in seiner Frühphase durch unbändige Wut aus und nicht durch technische Perfektion. Der Sound von "Birth Of Malice" vollbringt hierbei das Kunststück, genau die richtige Balance zwischen Wut und Präzision zu finden. Was ist das Geheimnis des Sounds?
Martin Furia: Wahrscheinlich war es eine große Hilfe, live als Tontechniker zu arbeiten und die letzten zehn Jahre so eng mit der Band verbunden zu sein. Ich bin auch ein Fan des Genres, daher wollte ich klanglich unbedingt eine Balance zwischen Moderne und Tradition finden. Es freut mich sehr, von vielen Leuten dasselbe zu hören: Es klingt modern und gleichzeitig klassisch. Ich denke, das Geheimnis liegt in Integrität und Liebe zum Detail, ohne sich zu sehr zu konzentrieren! Wir haben die Ideen sehr authentisch und spontan fließen lassen, und das spiegelt sich sehr gut im Album wider.
Wie habt ihr die neuen Stücke für das Album komponiert? Siegt die romantische Vorstellung von gemeinsamen Jam-Sessions im Proberaum, oder sind es doch eher moderne Wege?
Martin Furia: Normalerweise fängt es damit an, dass Schmier mit Bassriffs und Ideen kommt. Wir programmieren ein paar einfache Schlagzeugsparts, um Tempo und Stimmung der Songs vorzugeben und passen die Bassriffs mit Damir an die Spielweisen der Gitarren an. Dann haben wir die völlige Freiheit, unsere Parts zu gestalten und Arrangements, Leads und Harmonien vorzuschlagen. Wir können alles spielen, was uns in den Sinn kommt. Am Ende entscheidet Schmier, was bleibt und was nicht. Wir haben viele Riffs und Songs eingebracht und er hat genommen, was er für DESTRUCTION am geeignetsten fand. Er weiß genau, woher die Band kommt und wohin sie will. Wir haben in drei verschiedenen Studios gearbeitet. Die Saiteninstrumente und den Gesang haben wir bei VO Pulver's Little Creek in der Schweiz gemacht, das Schlagzeug habe ich zusammen mit unserem großartigen Randy Black in seinem eigenen Studio in Hannover aufgenommen und produziert. Meine Soli, die Nachbearbeitung, das Mixing und das Mastering habe ich in meinem Studio Jurassic Recordings in Antwerpen gemacht.
Als Musiker ist das neueste Album logischerweise immer "das beste". Was sind deiner Ansicht nach die Aspekte, die "Birth Of Malice" zum besten Album von DESTRUCTION machen könnten?
Martin Furia: Das ist schwer zu sagen, wenn man in einer Band mit so vielen Klassiker-Alben spielt! Was ich sagen kann, ist, dass wir das bestmögliche Album gemacht haben und unglaublich stolz darauf sind!
Woher nimmst du Inspiration für das Komponieren von Riffs oder Melodienbögen? Gibt es für dich zum Beispiel bestimmt Rituale oder kann es auch sein, dass die Muse dich ganz einfach küsst und du loslegst?
Martin Furia: Die Inspiration kann einen wirklich jeden Moment treffen. Manchmal sitze ich auf dem Fahrrad und mir fällt ein Riff ein. Dann halte ich an und murmle es ins Handy, um es später auf der Gitarre zu spielen. Ich habe kein richtiges Ritual, es passiert einfach, wenn man auf seine Umgebung achtet … Musik findet man überall!
Lass uns mal mal zu einigen Tracks der neuen Platte kommen. Eröffnet wird "Birth Of Malice" nach einem akustischen Intro vom Song 'Destruction'. Woher kam die Idee, nach 40 Jahren eine Band-Hymne zu komponieren und soll diesem Song im Liveset eine besondere Rolle zukommen, wie etwa "Iron Maiden" bei Iron Maiden - immer letzter Song vor der Zugabe?
Martin Furia: Das war Schmiers Idee. Ich fand es überraschend, dass er nach 40 Jahren noch auf die Idee kam, einen Song mit dem Bandnamen zu machen! Aber ich war begeistert, als ich ihn hörte, und war mir sicher, dass es die richtige Entscheidung war. Auch das Video in Brasilien zu drehen, wo DESTRUCTION eine Religion ist, war fantastisch. Wir haben es schon live gespielt, und es war der Hammer. Ich kann es kaum erwarten, es auf der ganzen Welt zu spielen und die Menge "We Are Destruction!" schreien zu hören.
'Cyber Warfare' beschäftigt sich mit den Gefahren, die unsere digitale Welt mit sich bringt. Wie stehst du selbst dazu? Bist du Fan von allem, was es digital gibt, ob bist du eher "Jäger und Sammler" und hast beispielsweise Musik und Filme lieber auf CD, LP oder DVD?
Martin Furia: Ich bin definitiv kein Jäger und Sammler von Online-Scheiß. Ich bevorzuge die guten alten Zeiten. Das Online-Leben ist zu etwas Seltsamem geworden und ich genieße es nicht, wenn es toxisch wird, was sehr leicht passieren kann. Trotzdem genieße ich die Vorteile und nutze sie. Es ist ein Werkzeug, dessen Nutzung man bewusst nutzen muss.
In dem Song 'Scumbag Human Race' bin ich über ein sehr melodisches Gitarrensolo gestolpert, welches mir sofort aufgefallen ist. Weißt du, was ich meine, oder haben mir meine Ohren da einen Streich gespielt?
Martin Furia: Ich liebe diesen Song, er war mein allererster Beitrag zum Bandrepertoire als Mitglied. Die Soli sind großartig und die Stimmung des Songs ist der Hammer. Ich habe auf YouTube einige Kommentare gelesen, dass der Anfang meines Solos sehr nach 'A Touch Of Evil' von JUDAS PRIEST klingt, und als ich es überprüfte, fiel mir die Kinnlade runter! Es ist unglaublich, wie sich Metal in die Seele einprägt. Das ist mir beim Schreiben des Solos gar nicht aufgefallen. Tatsächlich war es eine Jam-Session und ein erster Take, der von meinem Demo für das Album übrig geblieben ist. Ich habe mich sehr gefreut, die Ähnlichkeit zu entdecken, und sehe es als eine tiefempfundene Hommage an eine der Bands, die mein Leben geprägt haben.
In gleich zwei Songs verwendet ihr diesmal deutsche Wörter. In 'Dealer Of Death', welcher sich mit B.A.S.F. befasst, ist die Rede von "5000 Deutsch Marks" und bei 'A.N.G.S.T.' dient es sogar als Titel. Gibt es einen besonderen Grund hierfür? Mille von KREATOR hat zum Beispiel mal gesagt, dass es im Englischen kein besseres Wort für das deutsche Wort "Untertan" gäbe.
Martin Furia: Das ist ganz Schmiers Entscheidung. 'Dealer Of Death' erzählt eine wahre, ziemlich abgefuckte Geschichte, und diese Worte waren die beste Beschreibung, weil sie den damaligen Fakten entsprachen. Für 'A.N.G.S.T.' finde ich, dass das Wort perfekt ist, um die beklemmende Atmosphäre des Songs zu beschreiben.
Mir persönlich hat der Song 'Evil Never Sleeps' sehr gut gefallen. Ähnlich wie schon zuvor bei 'Scumbag Human Race' hat mich hier die Melodie überrascht. Diesmal kommt die allerdings nicht als Solo daher, sondern unterlegt den Refrain, der wirklich zum Mitsingen und nicht bloß Grölen einlädt. Ich meine dies keineswegs negativ, aber ich finde schon, dass dies im DESTRUCTION-Kosmos in dieser Form eher selten vorkommt.
Martin Furia: Nun ja, im Laufe der Karriere probiert man gerne Neues aus, und das war auch der Fall. Ich finde den Song auch großartig. Schmier hatte einen tollen Refrain, und wir haben angefangen, mit ein paar Melodien zu experimentieren. Das Tüpfelchen auf dem i ist die Beteiligung von Jennifer Gruber von der Band FIREBORN, die mit ihrem großartigen Gesang dem Refrain eine noch speziellere Stimmung verliehen hat.
Und natürlich kommen wir an einem Song nicht vorbei, nämlich dem Cover am Ende des Albums. Ihr habt euch 'Fast As A Shark' von ACCEPT vorgenommen. Laut der Promo des Labels möchtet ihr so eure "starke Allianz mit den Label-Kollegen ACCEPT" feiern. Ist das so, oder fandet ihr den Song einfach "nur" geil?
Martin Furia: ACCEPT hat uns alle enorm beeinflusst! Wir covern gerne jedes Album, das haben wir schon mit G.B.H, EXPLOITED und METALLICA gemacht, und wir fanden, dass ACCEPT perfekt für dieses Album ist. 'Fast As A Shark' ist ein deutscher Klassiker, und wir wollten den Paten Respekt zollen!
Ich war wirklich erstaunt, wie gut die Nummer funktioniert. Vor allem die Strophen und Teile der Solopassagen klingen gar nicht so weit entfernt vom DESTRUCTION.
Martin Furia: Wir waren auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Während der Aufnahme wollten wir ihm eine kleine Wendung geben, aber da der Song im Original so perfekt ist, sagten wir einfach "Scheiß drauf!" und haben ihn noch schneller gemacht! Wir fanden es toll und hatten großen Spaß im Studio. Es war nicht einfach, da der Song schon im Originaltempo anspruchsvoll ist, aber am Ende waren wir total glücklich! Außerdem war der großartige Wolf Hoffmann so nett, uns zu loben und unsere Arbeit zu loben, was echt cool war!
Wie geht es nach der Veröffentlichung weiter? Ich denke doch mal, dass es nicht bei "40 Jahre DESTRUCTION" bleiben soll, sondern dass wir doch hoffentlich auch noch "50 Jahre DESTRUCTION" erleben werden.
Martin Furia: Jetzt stehen viele Auftritte auf der ganzen Welt auf dem Programm! Wir haben dieses Jahr großartige Shows: das Bangers Open Air in Brasilien, Wacken, Summer Breeze, Shows in Asien und bald kündigen wir eine fantastische Tour durch Europa an.
Nochmals vielen Dank für deine Zeit. Das letzte Wort an dieser Stelle gehört dir. Was möchtest du den Lesern von Bleeding4Metal noch mit auf den Weg geben?
Martin Furia: Ein riesiges Dankeschön an alle alten und neuen Fans weltweit, die die Band stets unterstützen und "Birth Of Malice" bereits jetzt zu einem großen Erfolg gemacht haben. Wir landeten in der ersten Veröffentlichungswoche in den deutschen Top Ten - ein Novum für die Band - und sind in vielen Ländern hoch gelistet. Das ist ein großer Erfolg für DESTRUCTION, und wir wollen dieses Album überallhin bringen! Wir sehen uns alle auf Tour und keep Thrashing till Death!!!