Interview mit Adrian von Kärbholz

Ein Interview von Dimebag vom 17.04.2017 (9661 mal gelesen)
Mit ihrem siebten Album "Überdosis Leben" haben KÄRBHOLZ einen weiteren großen Schritt getan. Platz 2 in den Charts, größte Tour der Bandgeschichte mit ausverkauften Hallen und auch eine musikalische Weiterentwicklung, über die man sprechen sollte. Gitarrist Adrian Kühn stellte sich deshalb, trotz Tourfieber, unseren Fragen zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

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Erstmal Glückwunsch zu eurem neuen Album "Überdosis Leben". Hat bei uns eine verdiente 9/10 abgesahnt.

Adrian: Na aber herzlichsten Dank dafür. Das freut uns!

Zusammen mit dem neuen Album habe ich mich auch nochmal durch eure bisherige Diskographie gehört. Die Qualitätssteigerungen im Sound, aber auch im Songwriting sind ziemlich offensichtlich. Wie nehmt ihr das wahr und was glaubt ihr, wo die Entwicklung herkommt?

Adrian: Wir machen jetzt seit 2005 zusammen Musik, haben das erste Album "Spiel Des Lebens" 2007 herausgebracht. Wenn wir mal ehrlich sind: Wir wussten damals nicht wirklich, was wir tun, noch weniger als heute! Wir sind alle keine gelernten und von Gott gesegneten Musiker. Alles was wir können, alles was wir musikalisch tun, haben wir uns über die Jahre erarbeitet. Wir versuchen uns stetig zu verbessern. Im Bandgefüge und auch als einzelne Musiker an unserem Instrument. Ich glaube, diese Entwicklung lässt sich ganz gut an unserer Diskographie ablesen oder vielmehr abhören.

Sich auf seinem siebten Album nochmal so zu steigern, ist nicht selbstverständlich. Was ist euer Antrieb?

Adrian: Musik ist für uns ein Mittel, Gefühle und Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Wir verarbeiten das, was uns zu einer bestimmten Zeit eben beschäftigt. Auch arbeiten wir stetig daran, unser musikalisches Vokabular zu erweitern und neue Dinge auszuprobieren. Ich finde es wichtig, nicht zu verkopft an neue Songs zu gehen. Es darf nicht darum gehen, was den Leuten wohl am besten gefällt. Es muss darum gehen, wie ich meine Gedanken am besten und direktesten transportieren kann und darum, ein Gefühl ohne Umwege zu vertonen. Das hört sich vielleicht etwas zu idealistisch an und mag auch nicht immer und kompromisslos funktionieren. Ich glaube aber es ist eine gute Herangehensweise und ermöglicht einen kreativen Prozess, der sich eben auch selbst in Frage stellen darf. Das ist sicherlich nicht die einfachste Art ein Album zu schreiben, aber um so schöner, wenn es die Leute am Ende mögen und nicht zuletzt wir selbst stolz auf das Ergebnis sein können.

Wie läuft bei auch das Songwriting ab? Lässt jeder seine Ideen einfließen oder gibt es einen Hauptsongwriter?

Adrian: Das hat sich im Grunde seit der ersten Platte nicht geändert. Mittlerweile schreibe ich alle Texte. Ich bin da ganz dankbar über das Vertrauen, das mir die Jungs da entgegenbringen. Ich komme als mit einem Text und einer musikalischen Idee in den Proberaum und stelle das den anderen vor. Im Prinzip beginnt jeder unserer Songs seinen Weg als akustische Lagerfeuerversion. Wir quatschen dann darüber und wenn allen die Idee gefällt, dann arbeiten wir gemeinsam den Song heraus und begeben uns in einen Dialog. Da probieren wir dann Sachen aus und jeder bringt seine Ideen ein. Das machen wir auch ganz traditionell zusammen im Proberaum. Nur wir 4 und unsere Instrumente, kein Computer oder so ein neumodischer Kram.

Deutsche Texte, die einen Nerv treffen und nicht kitschig oder unrund wirken, sind sicherlich nicht einfach zu schreiben. Wie sehr feilt ihr an den Texten, bis sie funktionieren?

Adrian: Die Texte sind tatsächlich ein großes Thema. Wir singen ausschließlich auf Deutsch, weil wir so vielmehr über die Texte transportieren können. Sie werden viel essentieller für einen Song, da sie jeder versteht. Das hat zur Folge, dass man natürlich auch viel feinfühliger und gewissenhafter an sie herangehen muss. Im Englischen kannst du mal ein bisschen schludern und das juckt niemanden, weil das Riff ja geil ist. Aber auf Deutsch, das kann schnell richtig kacke werden. Die Texte für die "Überdosis Leben", die haben mir schon ein paar schlaflose Nächte eingebracht. Wenn man sich so im Textschreib-Modus befindet, da saugst du alles auf, was in dir und um dich herum passiert. Kurze Gedanken, Fragmente aus einer Unterhaltung an der Supermarktkasse, die man zufällig aufschnappt. Ich habe einen ziemlich dicken Notizblock randvoll mit eben solchen kurzen und auch längeren Passagen und Gedanken geschrieben bis zu den fertigen Songs.

Mit "Kind Aus Hinterwald" habt ihr dem Dorfleben eine Liebeserklärung mit großem Augenzwinkern geschrieben. Wie viel Wahrheit steckt für euch in dem Lied und wie kam die Inspiration dazu?

Adrian: Wir sind ja alle 4 Landeier und 3 von uns genau hier in Ruppichteroth aufgewachsen. Der Song entspricht eigentlich zu 99% der Wahrheit. OK, wir tragen nicht ausschließlich Latzhosen und auch im kleinsten Dorf gibt es mehr als 2 Nachnamen, obwohl ich mir da doch wieder nicht so sicher bin. Unser Produktionsassistent Bengt hat im Studio gefragt, als er den Song gehört hat, ob wir nicht Angst davor hätten, den Leuten auf dem Land damit vor den Kopf zu stoßen, wenn wir so abfällig über sie singen würden. Das war witzig, er konnte diese Liebeserklärung in dem Song am Anfang gar nicht so wirklich heraushören. Wir haben den Song dann vorab Freunden hier aus der Region vorgespielt. Die haben das sofort verstanden und haben gelacht, weil auch die absurdeste Textpassage eben ihren wahren Kern hat. So unterschiedlich ticken da die Leute, was für den einen der größte Graus ist, ist für den anderen das große Glück. Wir genießen jedenfalls das Leben hier auf dem Land, auch wenn das nächste Kino 30 km entfernt ist und wir uns über die Auswahl an Kneipen mal gar nicht unterhalten brauchen.

"Evolution Umsonst" ist eines meiner persönlichen Höhepunkte des Albums. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Lenny Osterhus (DEVASTATOR) und die relativ harte Ausrichtung des Songs? Ist das eine Richtung, die man jetzt öfter von euch erwarten kann?

Adrian: Der Song hat sich schon im Proberaum in diese Richtung entwickelt. Das ist so eine musikalische Richtung, die wir zuvor noch nie eingeschlagen haben. Aber das macht sehr viel Spaß und ja, ich glaube das wird kein Experiment bleiben! Wir waren im Studio bei den Aufnahmen. Wir waren in Hamburg, es war Freitagabend und Eike und Alex standen auf der Gästeliste für ein Konzert von ENDSEEKER, bei denen Lenny auch singt. Da haben wir uns dann angeschlossen. Wir hatten einen unglaublich guten Abend. Wir haben Lenny gehört und haben ihn nach dem Gig sofort gefragt, ob er Lust hat ein paar Passagen zu dem Song beizutragen. Eine gute Entscheidung, denn das war so der letzte Rest Wut, die dem Song gefehlt hat! imgright

Mit "Ich Kann Es Nicht Ändern", "Perfekt Unperfekt" und dem grandiosen "Nur Einen Satz" habt ihr drei Stücke auf dem Album, die das Thema Beziehung/Liebe aufgreifen. Was sind die Gründe für die Häufung von Songs mit solch gefühlvollem Inhalt?

Adrian: Es ist doch ein absolut relevantes Thema. Für jeden von uns. Egal wer wir sind und egal was wir tun, Gefühle und die Liebe sind Themen, mit denen wir alle jeden Tag konfrontiert sind. Selbst der härteste Sänger der härtesten Band, der den ganzen Tag über Blut und Dämonen singt, wird nachts im Bett liegen und vielleicht über die Frau beim Bäcker nachdenken, die er sich nicht traut anzusprechen, seine Beziehung in Frage stellen oder neben sich blicken und sein Glück nicht fassen können, diese eine perfekte Frau neben sich liegen zu haben. Welcher Couleur auch immer, Liebe ist immer aktuell und wichtig, egal was sonst alles passiert. Vielleicht ist sie sogar die Antwort auf alles. Klingt auch wieder kitschig, nicht wahr? Aber vielleicht wahr!

Als Alsfelder muss ich natürlich nach euren Erfahrungen mit dem "Ehrlich und Laut"-Festival fragen. Wie habt ihr das Festival bei euren Auftritten erlebt und kann man euch in nächster Zeit vielleicht mal wieder dort sehen?

Adrian: Beim "Ehrlich und Laut"-Festival haben wir ja schon sehr oft gespielt, waren damals beim ersten Mal in Marburg sogar schon dabei gewesen. Wir fanden das immer ein sehr schönes Festival mit einer guten Mischung an Bands aus verschiedenen Stilrichtungen. In diesem Jahr sind wir nicht mit am Start, aber werden das sicherlich in Zukunft wieder sein.

Im Zuge des Albums geht ihr auch wieder auf Tour. Wie läuft euer Tourleben ab? Was hat sich im Vergleich zu euren Anfangstagen verändert?

Adrian: Es gibt jetzt Leute, die uns das Trinken verbieten wollen! Hahaha, nein. Es hat sich ganz viel aber im Grunde fast nichts geändert. Wir sind bis vor relativ kurzer Zeit noch ganz DIY mit dem Busschen auf Tour gefahren. Hatten kein Personal dabei und haben einfach gespielt. Dann haben wir angefangen, einen Tonmann mitzunehmen und einen Backliner. Das erleichtert alles schon ungemein. Du klemmst dir nicht mehr alle Finger beim Aufbau und kannst kaum die Saiten runter drücken beim Gig und der Sound ist besser geworden, weil wir jemanden dabei haben, der unsere Lieder kennt. Mittlerweile fahren wir mit einem ganzen Tross an Leuten im Nightliner auf Tour, im Nightliner übrigens diese Tour zum ersten mal! Das kostet uns natürlich Geld, aber der Hintergrund ist, dass wir eine gute Show liefern wollen und das Level auch über eine ganze Tour halten können wollen. Das geht nur mit einem eingespielten Team. Diese Tour war mit Abstand die größte, die wir je gefahren sind. Es waren so unfassbar viele Leute dort und gerade dann müssen wir unser Bestes tun, allen und auch uns selbst, einen super Abend zu ermöglichen. Die Leute bezahlen ja schließlich Eintritt dafür. Da ist es gut, Leute zu haben, auf die man sich verlassen kann und wir selbst können uns auf das konzentrieren, was wichtig ist: Ein gutes Konzert spielen und danach mit den Leuten quatschen und ein paar Gläser mit ihnen trinken.

Mit jetzt sieben Alben in der Hinterhand, fällt es sicher schwer, eine Setlist zusammen zu stellen. Wie entscheidet ihr euch, welche Songs live gespielt werden? Gibt es Wünsche des Publikums, die ihr erfüllt, obwohl ihr den Song eigentlich nicht unbedingt in die Setlist aufnehmen würdet?

Adrian: Das ist total schwer und wir tun uns auch nicht leicht damit. Wir haben für die Tour einfach jeder unsere Wunschsetlist aufgeschrieben und wir hatten tatsächlich einige Songs, die wir alle vier auf dem Plan hatten. Die standen dann also fest und über alle weiteren Songs haben wir dann diskutiert. Und ja, wir haben mit einigen Leuten gesprochen und viele, gerade Fans der ersten Stunde sagten, sie wünschen sich noch mal ein paar wirklich alte Stücke auf der Setlist. Dem sind wir nachgekommen und haben ein paar echt alte Schinken ausgegraben. Das war witzig, die noch mal zu spielen! Auf der Tour haben wir mehr als 20 Stücke gespielt. Da war es schon schwer, wenn jetzt die Festivals kommen und du nur Zeit für 10 Lieder hat, das wird noch mal spannend!

Der Abschluss gehört bei uns immer den Musikern. Ihr dürft loswerden, was ihr schon immer mal sagen wolltet. Vielen Dank für das Interview.

Adrian: Wir danken für das nette Gespräch. An alle da draußen: Kommt uns mal auf Tour oder einem Festival (vorzugsweise auf unserem Heimspiel) besuchen. Wir haben jetzt 'nen Backliner am Start, müssen nicht selbst abbauen, ihr könnt uns also nach dem Gig locker auf 'nen Bier einladen!!

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