Interview mit Michael Kiske und Amanda Somerville von Michael Kiske

Ein Interview von Jukebox vom 09.10.2010 (5641 mal gelesen)


Nach den allgemein hervorragenden Kritiken am gemeinsamen Album von MICHAEL KISKE und AMANDA SOMERVILLE stellten sich die beiden meinen Fragen und überraschten hier und da auch mal mit sehr offenen Antworten:

Michael, auf deiner MySpace-Seite war zu lesen und in einem Video zu sehen, dass du dich verletzt hast und daher auch nicht auf der Release-Party in Ludwigsburg anwesend sein konntest. Was ist passiert, und geht es dir wieder besser?

Michael: Ich hatte kochendes Teewasser in einen Glaskrug gegossen, der dafür nicht gedacht war und der dann platzte. Zum Glück traf es nur meinen Fuß! Ich kann immer noch nicht gut laufen und stehen. Obwohl es schon besser aussieht.

Ihr wart ja bereits beide auf dem AINA-Album "Days of Rising Doom" zu hören. Habt ihr euch zu der Zeit kennengelernt und zum ersten Mal zusammengearbeitet, oder gab es vorher schon eine Verbindung zwischen euch?

Amanda: Lustigerweise nicht! Deshalb war ich so gespannt, endlich direkt mit Michael zusammen zu arbeiten und nicht um drei Ecken wie bis zu dem Zeitpunkt.

Michael: Persönlich haben wir uns beim Video-Dreh zum Duett das erste Mal getroffen. So arbeitet man im digitalen Internetzeitalter heute oft. Umso glücklicher, dass wir uns tatsächlich so gut leiden können. Der Drehtag und auch die Promotion - Tage, die wir zusammen machen, machen wirklich sehr viel Spaß.

Serafino Perugino von Frontiers Records trat ja mit der Idee eines Duett-Albums an Matt Sinner heran. War von Anfang an klar dass ihr beide die jeweiligen Parts übernehmen werdet, oder wie kam diese Konstellation zustande?

Michael: So weit ich weiß, trat Serafino zuerst an mich heran, und als ich die Idee gut fand, trat er an Matt heran. Kann mich natürlich irren.

Amanda: Ich glaube auch dass Serafino zuerst die Idee mit Michael gehabt hat, dann kamen alle andere dazu. Serafino hat dann Matt ins Boot geholt und Matt hat mich dann gefragt.

Matt Sinner und Magnus Karlsson haben ja einen Großteil der Songs geschrieben. Wieviel Mitspracherecht hattet ihr beide selbst bei den einzelnen Songs?

Michael: Man hätte sicher Einfluss nehmen können, was aber nicht nötig war. Ich hatte auch genug mit meinem Solo-Album zu kämpfen, sodass ich froh war, keine Songs schreiben zu müssen. Viel weiter bin ich mit dem Solo-Album leider noch immer nicht.

Amanda: Mein Einfluss war natürlich einfach der, wie ich die Geschichten der Songs für mich persönlich aufgenommen habe und mit meiner Stimme emotional präsentierte. Hier und da wurden natürlich kleine Änderungen gemacht. Ich habe aber 3 Songs geschrieben zusammen mit Sander Gommans (AFTER FOREVER), die auf dem Album sind, und da habe ich sie natürlich so gemacht, wie ich sie haben wollte, und die Texte waren auch von mir. Da ich Matt gesagt habe, dass ich genauso Songwriterin wie Sängerin bin, war er sehr offen für kreativen Input von mir, was ich toll fand. So bin ich emotional komplett mit dem Album verbunden.

Wie muss man sich die Situation im Studio vorstellen? Habt ihr gemeinsam die Songs eingesungen, oder ging das getrennt vonstatten?

Amanda: Es ging getrennt. Ich habe meinen Gesang zusammen mit Matt in Stuttgart aufgenommen und Michael hat seine Parts in seinem eigenen Studio aufgenommen, nachdem ich mit meinen Aufnahmen schon fertig war.

Michael: Ich habe meinen Teil in Ruhe in meinem eigenen Studio eingesungen. Ihre Parts waren da schon drauf, was gut kam.

Habt ihr persönliche Favoriten auf dem Album, und wenn ja, warum diese Songs?

Michael: Ich mag ein paar sehr gerne, besonders aber ’A Thousand Suns’, weil der Song alles hat, was ein guter Song braucht: Drama, gute Melodien, persönlicher Text von Amanda.

Amanda: Ich kann mich nie für einen Song entscheiden. Ich habe natürlich eine ganz andere, persönliche Verbindung zu meinen eigenen Songs, die auf dem Album sind, nämlich ’A Thousand Suns’, ’Arise’ und ’Set A Fire’, aber ich finde auch ’Silence’ und ’Second Chance’ super schön.

Wie sind die bisherigen Resonanzen und Reaktionen auf euer gemeinsames Album?

Michael: Sehr gut! Es kommt überall wirklich erstaunlich gut an! Ein englischer Journalist machte es sogar zum Rock-Album des Jahres.

Amanda: Bis jetzt habe ich nur gutes Feedback von Leuten gehört! Vielleicht verstecken sich die Kritiker, aber ich bin total happy.

Michael, du hattest dich ja in der Vergangenheit recht deutlich von der Metal-Szene distanziert, und wolltest auch keine Alben mit harten Gitarren mehr machen. Du hast z.B. mal gesagt, dass du Magengeschwüre bei harten Songs bekommen würdest. Um mal bei dieser Aussage zu bleiben: Wie geht es deinem Magen heute beispielsweise bei Songs wie ’Set a Fire’, und wie kam es zu dieser Rückbesinnung?

Michael: Bei zu brutalen Sachen ist das auch immer noch so. Aber bei diesem Projekt ist das noch im Rahmen. Ich persönlich brauche Ballergitarren nicht, damit mich ein Song kickt. Aber Spaß an gutherziger Rockmusik habe ich schon etwas länger wieder. Das war ein recht langer Prozess, der immer noch nicht abgeschlossen ist. Leider hat die Metal-Szene sich vielfach faschistoiden und unmenschlichen Göttern verschrieben. Was ich absolut nicht nachvollziehen kann und was auch immer ein großes Problem für mich bleiben wird, solange ich eine lebendige Seele habe. Der Satanismus ist mir ein absoluter Gräuel. Das ging über einen längeren Zeitraum so weit, dass ich ziemlich radikal gegen alles war, was sich Metal nennt. Mittlerweile bin ich da aber wieder entspannter und eigentlich nur wieder fair der nicht satanistischen Seite der Metal- und Rock-Szene gegenüber, was auch nötig ist. Mir ist es sehr wichtig, ehrlich mit mir selber zu sein und nichts zu tun, was ich nicht vertreten kann. Außerdem sage ich immer was ich denke, egal ob das gewissen Leuten passt oder nicht. Aber ich habe auch kein Problem damit zuzugeben, wenn ich ein wenig über das Ziel hinausgeschossen bin. Vor allem die Tatsache, dass ich wieder Fans in Deutschland, Schweden, Tschechien und Paris getroffen habe, hat mir doch sehr geholfen diesbezüglich wieder ein richtigeres Bild zu bekommen. Ich war viele Jahre ausschließlich mit der negativen und erzverspießten Seite der Metal-Szene konfrontiert, die mich auch nach wie vor ziemlich ankotzt. Aber es gibt doch einen anderen, coolen Teil dieser Szene, den ich jetzt sogar wieder mag. Dies alles gehört zum Lernprozess. Obwohl ich auch sagen muss, dass mich Szenen oder Gruppierungen usw. noch nie sonderlich interessiert haben. Mich interessieren Individuen.

Du hast in deinem Aufsatz "Der Spießer" damals auch namentlich Bands angesprochen, die sich in der Öffentlichkeit gerne als "true" bezeichnen, in Wahrheit aber nur das liefern, was die Fans haben wollen - ohne wirklich ehrlich das zu tun, was ihnen das Herz sagt. Hast du durch solche Äußerungen denn schon Probleme bei perönlichen Begegnungen mit Fans bekommen?

Michael: Erstaunlicherweise kaum, weil es die Meisten - zumindest die, die zu mir kommen - offensichtlich doch besser verstehen als gedacht. Was mich natürlich sehr freut. Wer nicht wirklich kapiert, was ehrliche Musik ist, der sollte sich eh besser nicht mit mir unterhalten. Jedem natürlich immer das Seine! Meins ist diese unwahrhaftige Pseudomoral gewisser Leute jedenfalls nicht.

Amanda, du hast in der Vergangenheit ja recht unterschiedliche Alben gemacht. Beispielsweise bist du hauptsächlich für das AINA-Album verantwortlich, hast aber 2008 mit "Windows“ auch ein hervorragendes Album gemacht, welches dich mit seinen ruhigen Pop/Rock, Soul und Blues-Songs von einer völlig anderen musikalischen Seite zeigt. Wo fühlst du dich eher zu Hause?

Amanda: Ehrlich gesagt ist sowohl mein Geschmack als auch meine Persönlichkeit so facettenreich, dass ich mich wirklich richtig in allem, was ich bisher gemacht habe, wohl fühle, und ich entwickle meine Geschmäcker und mich als Musikerin immer weiter. Früher habe ich in Big- und Jazzbands gesungen und "I paid my dues," wie wir auf Englisch sagen. Das heisst: ich habe auch bei Coverbands gespielt, in dreckigen Bars in den USA als ich ein Teenager war, habe auch alleine in Cafés am Klavier gespielt und meine eigene Songs präsentiert. Dann habe ich auch jahrelang mit verschiedenen andere Bands gearbeitet, gecoacht, engineert, produziert, Songs geschrieben, etc… Jede Aktion war ein Schritt nach vorne und alles hat mich hierhin geführt, wo ich jetzt bin. Ich habe Blut geleckt bei HDK und habe rausgefunden, dass ich auch so hartes Metal-Zeug mag und schreiben und singen kann. Aber ich glaube, dass ich ein bisschen unglücklich wäre, wenn ich mich für nur eine Musikrichtung oder Art von Musik-Karriere entscheiden müsste.

Ist es schwierig oder teilweise vielleicht sogar ärgerlich für einen Künstler, wenn den Alben und Projekten mit anderen Bands (z.B. AVANTASIA, PLACE VENDOME, AINA usw.) mehr Medien-Aufmerksamkeit geschenkt wird als den eigenen, ebenfalls sehr guten Soloalben?

Amanda: Nein, das gehört alles dazu. Und ich habe nicht den Gedanken, dass es anders sein muss. Wie ich gesagt habe ist alles ein Schritt nach vorne und führt uns dahin, wo wir hingehen sollen. Dies ist meine persönliche Lebensreise. Da gehören keine Eifersucht oder negative Gefühle anderen gegenüber hin!

Michael: Teilweise ja, andererseits habe ich mittlerweile gelernt, dass man von Fans nicht unbedingt erwarten kann, dass sie alles nachvollziehen können. Hat man sich einen Namen mit einer Metal-Band wie HELLOWEEN gemacht, ist es relativ klar, dass rockigere Projekte dann besser verkaufen als z.B. meine Solo-CDs, auf denen ich keinem Konzept folge, sondern völlig frei das mache, was kommt. Früher oder später werde ich mich aber auch damit bestimmt mehr durchsetzen, solange ich besser werde. Die CDs laufen auch immer besser, weil mich viele immer besser verstehen. Im Grunde ist der Kulturauftrag von Musikern auch wirklich ein anderer, als bloß Märkte zu beliefern.

Wird man euch beide zusammen mit den Songs des neuen Albums live bewundern können?

Michael: Wenn das Album gute Verkaufresonanzen hat, bestimmt. Ansonsten zahlt leider niemand für eine Tour. So läuft das Geschäft eben.

Amanda: Wir haben uns ein bisschen in das Projekt verliebt und würden es super gerne live präsentieren. Es kommt wirklich darauf an, was mit dem Album wirtschaftlich passiert.

Michael, wie schwer ist es für dich, nach der langen Abwesenheit z.B. mit UNISONIC wieder auf die Bühne zu gehen? Während du abseits der Bühne ja doch recht ruhig und zurückhaltend bist, zeigst du auf der Bühne oft einen anderen Michael. Fällt dir das schwer, oder ergibt sich das von allein?

Michael: Das ergibt sich tatsächlich von alleine. Auf der Bühne überträgt sich die Energie des Publikums auf einen selber. Das ist faszinierend. Ich kannte das gar nicht mehr und musste mich auch da erst mal wieder reinfinden. Ich finde es allgemein persönlich sehr wichtig, immer authentisch zu sein, sonst macht dich jede Karriere krank. Man sollte es nie zulassen, dass z.B. eine Kamera, die auf dich gerichtet ist, verursacht, dass du dich verstellst und jemand anders wirst, als zu wirklich bist. Auch auf der Bühne geschieht bei mir, was natürlich kommt. Ich bin heute ein anderer als vor 20 Jahren, und das ist auch völlig in Ordnung so. Man muss leider oft hart kämpfen gegen Schablonen, die manche im Kopf haben von einem, die sie sich vor Jahrzehnten gebaut haben. Überall findet man Menschen, die meinen man müsse so sein, wie sie es gerne hätten. Ich empfehle aber unbedingt jedem Künstler, der in der Öffentlichkeit steht, sich durch nichts und niemanden verbiegen oder unter Druck setzen zu lassen. Das hat nichts mit Egomanentum zu tun, denn nur so bleibt man einigermaßen gesund in diesem Geschäft. Ich finde man merkt es Künstlern schnell an, wenn sie bloß eine Show abziehen und nicht wirklich sie selber sind, sobald eine Kamera, ein Mikro oder Augen auf sie gerichtet sind.

Gibt es bereits Pläne über weitere gemeinsame Alben, oder ist es für solche Planungen noch zu früh?

Amanda: Noch nicht, obwohl wir hoffen dass das möglich sein wird. Unsere Stimmen klingen gut zusammen finde ich, die Chemie zwischen uns persönlich stimmt, und vielleicht würden wir die Songs das nächste Mal zusammen schreiben und aufnehmen.

Michael: : Ist noch zu früh. Mir gefällt die CD sehr gut und ich mag die beteiligten Leute auch sehr gerne, ganz besonders Amanda, Sander und Matt. Also ich hätte Lust auf weitere CDs. Aber Serafino hat tief in die Tasche gegriffen für dieses Projekt. Und es hat künstlerisch auch super hingehauen! Aber damit man vielleicht noch mal ein zweites Album macht, muss sich dieses erste erst einmal erwähnenswert verkaufen, sonst investiert kein Label in ein zweites Album. Bei allem Idealismus der Musiker wollen Labels immer noch Geld verdienen. Müssen Künstler ja auch! Also hängt so etwas immer auch davon ab, ob sogenannte Musikliebhaber CDs kaufen, oder bloß klauen!! Ganz besondern heute sind gute CD-Produktionen nicht mehr so leicht zu finanzieren.

Bestehen zur Zeit schon Pläne oder musikalische Aktivitäten die uns in Zukunft erwarten und über die ihr uns schon etwas verraten könnt?

Michael: Wir werden gemeinsam eine kurze Tournee mit AVANTASIA machen, Ende November bis in den Dezember hinein. Kai Hansen wird auch dabei sein. Ich freue mich richtig darauf, vor allem dass ich endlich mal nach Südamerika komme, wo ich noch nie war und viele Freunde habe.

Amanda: Das wird super sein. Dann bin ich im Januar mit ROCK MEETS CLASSIC unterwegs und habe auch ein paar Solo-Shows geplant. Ich schreibe und nehme zur Zeit neue Songs auf für mein nächstes Solo-Album und auch für ein neues Projekt auf, worüber ich noch keine Details sagen kann!

Vielen Dank dass ihr euch die Zeit genommen habt diese Fragen für Bleeding4Metal zu beantworten. Die letzten Worte gehören euch:

Amanda: Wir haben zu danken für das Interesse und die Unterstützung! Hoffentlich sehen wir uns bald bei einer Live-Show!

Michael: FREIE Musik ist die einzig WAHRE Musik! Kampf jeglichem Faschismus! Und Faschismus beginnt überall dort, wo die Würde des Menschen und sein freier Wille vergewaltigt und nicht respektiert werden, egal hinter welcher Maske oder Flagge dies auch geschieht.

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