Interview mit Johannes Tüllner von Eternal Wisdom

Ein Interview von grid vom 15.04.2015 (8486 mal gelesen)
"Panthei Mathos" ist der willkommene Anlass, mit Johannes Tüllner nicht nur über das Album und über sein Projekt ETERNAL WISDOM zu sprechen, sondern ihn auch nach seinem musikalischen Werdegang und vieles mehr zu befragen.


Erst mal herzlichen Glückwunsch zu "Pathei Mathos", Deinem dritten Album. Da es über ETERNAL WISDOM nicht sehr viel im Netz zu lesen gibt, bitte ich Dich, uns zuerst etwas über die Anfänge des Projekts zu erzählen. Mit welchem Konzept im Kopf hast Du wann ETERNAL WISDOM gegründet? Gab es einen direkten Auslöser?

Johannes Tüllner: Hallo und besten Dank. Ab dem Jahr 2005 kann man eigentlich von ETERNAL WISDOM als offizielles Projekt sprechen. Zuvor entstanden auch schon Aufnahmen und Demos von mir, aber unter ständig wechselnden Bandnamen. Ich hatte schon immer eremitische Züge, weshalb es sich anbot, alles im Alleingang umzusetzen. Ich habe dennoch ein paar Erfahrungen in Bands gesammelt und dort schnell gemerkt, dass es mich musikalisch beeinträchtigt, alles basisdemokratisch abstimmen zu müssen. Konzeptionell ging es anfangs eigentlich nur darum, dem schwedischen Melodic Black Metal zu frönen. Nach und nach verstärkte sich aber immer mehr der inhaltlichen Gehalt, indem ich mein Interesse für das Sterben und die Kabbalistik durch die Texte ausdrückte.

Wie verlief Deine musikalische Entwicklung? Welche Instrumente spielst Du? Kommst Du aus einer musikalischen Familie?

Johannes Tüllner: Als Kind wurde mir Metal von meinen älteren Geschwistern vorgelebt, daher saß ich, was gute Platten angeht, schon früh an der Quelle. Und ja, meine Familie ist sehr musikalisch. Ich wäre ein Anarchist gewesen, wenn ich nicht auch angefangen hätte, ein Instrument zu spielen. Deshalb habe ich mir mit 9 Jahren eine verstimmte Rhythmusgitarre geschnappt und versucht Songs wie 'Blasphemer' oder 'Witching Metal' von SODOM nachzuspielen. Von da an nahm dann das Gitarrespielen in den nächsten Jahren meine ganze Freizeit in Anspruch. Irgendwann so zwischen meinem 13. und 15. Lebensjahr, wurden die ersten Projekte gegründet und dann kam schon ETERNAL WISDOM.

Was hat Dich angeregt, selbst zu komponieren?

Johannes Tüllner: Das war schon immer mein konkretes Ziel. Das Gitarrespielen war immer nur Mittel zum Zweck und stand nie im Vordergrund. Das Komponieren ermöglicht mir einen intensiven Austausch mit mir selbst und meinen unbewussten Anteilen, denen ich so Gestalt verleihen kann. Es ist eine Form der Psychotherapie, die mich dazu zwingt in den Spiegel zu schauen. Gleichzeitig ist die Musik aber auch das Medium, dass mir dadurch Selbstverwirklichung ermöglicht.

Kommen wir zu "Pathei Mathos". Um was geht es auf dem Album?

Johannes Tüllner: "Pathei Mathos" bedeutet "Durch Leiden lernen" und ist ein Prinzip aus dem Agamemnon. Als ich "Pathei Mathos" schrieb, befasste ich mich mit dem Thema, Mythen und Märchen als Form der kollektiven Psychotherapie. Kurz gesagt, Mythologie als ein archaischer Leitfaden der Lebensbewältigung. Ich kam von Ödipus zu Sisyphos und letztendlich zu Aischylos und dem Agamemnon. In den Geschichten geht es letztendlich immer um Sinnfindung im Leid, das als ein Gegengewicht zum Nihilismus gesehen werden kann. Ich habe versucht, jedem Song eine andere Quelle zu diesem Thema zu widmen. Dabei griff ich auf Texte von Fritz Riemann, Thorwald Dethlefsen oder C. G. Jung zurück.

"Pathei Mathos" ist seit einiger Zeit draußen, die Reaktionen sind überwiegend positiv ausgefallen. Wie wichtig sind Dir Feedback und Reviews?

Johannes Tüllner: Natürlich freue ich mich, wenn ich positives Feedback bekomme, aber in erster Linie ist es wichtig, dass ich zufrieden bin. Ich denke Reviews sind vor allem dazu da, um Hörer über die Veröffentlichung eines neuen Albums zu informieren. Was dann im Review konkret geschrieben steht, ist zweitranging.

Haben Kritiken auf Deinen Schaffensprozess Einfluss?

Johannes Tüllner: Kritiken haben kaum Einfluss auf das Material, das ich schreibe. Wie ein Album klingt, hängt bei mir von meinen momentanen Lebensumständen und meiner Gefühlswelt ab. Man kann sagen, ETERNAL WISDOM hat eine Tagebuchfunktion. Es ermöglicht mir, eine bestimmte Zeitspanne in meinem Leben musikalisch festzuhalten. Somit gibt es keine guten ETERNAL WISDOM-Alben und es gibt auch keine schlechten. Es ist ein Abdruck und alles ist so, wie es nun mal ist.

Wie viel Anregung kommt von Deinem Bruder Robert, der den Mix und das Mastern übernommen hat?

Johannes Tüllner: Mein Bruder steht mir bei den Aufnahmen mit Rat und Tat zur Seite. Er ist einer der Ersten, der neues Material von mir zu hören bekommt, während wir mal wieder die ein oder andere Nacht durchzechen. Ich bekomme daher schon mal seinen Eindruck von neuen Songs mit, den ich als Anregung nutzen kann.

Das Artwork stammt wieder von Deinem Vater. Gibst Du vor, was Du Dir so ungefähr vorstellst oder lässt Du ihm völlig freie Hand? Hattest Du mehrere Motive zur Wahl? Wenn ja, wie viele hast Du verworfen?

Johannes Tüllner: Die Bilder stammen alle aus den siebziger und achtziger Jahren. Ich habe je nach Thema der Platte ein Bild ausgesucht, das ich als repräsentativ für das Album empfand. Mir gefällt es, dass die Bilder in Bezug zu gewöhnlichen Metal Artworks von der Norm abweichen und nicht gewöhnlich aussehen. Auch in Zukunft wird auf den Cover-Artworks von ETERNAL WISDOM der Pinselstrich meines Vaters zu sehen sein.

Du fasst Deine Texte in Englisch ab. Weshalb?

Johannes Tüllner: Die englische Sprache klingt einfach weicher und homogener.

Du hast mal bei der Thrash Metal-Band BLOODDAWN gespielt; bei ETERNAL WISDOM machst Du alles allein. Vermisst Du manchmal den Ideenaustausch mit anderen oder bist Du der zu keinerlei Kompromissen bereite Einzeltäter?

Johannes Tüllner: Nein, ich vermisse es nicht. Wie ich schon erwähnt habe, hat ETERNAL WISDOM eine Tagebuchfunktion. Wenn du dann mit anderen Musik schreibst, ist es so als würde ständig jemand Fremdes in deinem Tagesbuch rumkritzeln oder Dinge herausstreichen. Ich denke, die momentane Situation ist optimal. Bei BLOODDAWN habe ich eigentlich auch nur mitgespielt und war nicht am Songwriting beteiligt.

Was inspiriert Dich?

Johannes Tüllner: In Bezug zu meinen Texten bin ich von den Büchern, die momentan lese, inspiriert. Dies kann vieles sein, vom Bereich Okkultismus bis Psychologie oder Philosophie. Musikalisch, finde ich, merkt man meinen Songs schon auch an, was ich gerade für Musik höre. Ich habe meist längere Phasen in denen ich ein bestimmtes Genre höre. Aber auch das Meditieren oder das luzide Träumen kann die ein oder andere frische Idee entstehen lassen.

Du bist von DISSECTION, DEATH und IRON MAIDEN beeinflusst. Gibt es auch jüngere Bands, die Dich beeindrucken? Wenn ja, welche?

Johannes Tüllner: Nein. Ich stecke da irgendwie in der Vergangenheit fest. Ich bin bei neuen Veröffentlichungen nie auf dem Laufenden. Hier und da höre ich vielleicht mal zufällig einen aktuellen Song, aber normalerweise, rotieren in meinem CD-Player fast ausschließlich Platten aus den Neunzigern.

Was macht einen hervorragenden Song aus?

Johannes Tüllner: Ich denke, aus der Position des Hörers heraus, kann man von einem hervorragenden Song sprechen, wenn er Assoziationen hervorruft. Wie diese inneren Bilder wirken, ist erst mal unwichtig. Von der Position des Musikers aus gesehen, ist ein Song hervorragend, wenn er zu einem kathartischen Erleben führt. Wenn das bei einem Song der Fall war, merke ich das daran, dass bei mir kaum noch Interesse besteht, mich mit diesem Song zu beschäftigen oder ihn anzuhören. Das ein gutes Zeichen dafür, dass man frei von dem jeweiligen Thema ist.

Welcher Deiner bisherigen Songs erreicht dieses Ideal bisher am ehesten?

Johannes Tüllner: 'Revelation Of A Dreaming God' von "Meditation Of The Cleansing Fire" setzt in mir viele Imaginationen frei und alle drei Teile von 'Cry For The Emptiness' waren eine große Befreiung für mich.

Jedes Deiner bisherigen Alben endet mit einem 'Cry For The Emptiness'. Was ist die besondere Bedeutung dieser drei Stücke?

Johannes Tüllner: 'Cry For The Emptiness' kann man als ein Resümee für meinen innerseelischen Zustand betrachten. Da meine Texte normalerweise kaum persönliche Anteile haben, wollte ich durch 'Cry For The Emptiness' dafür einen Raum schaffen.

Soll ETERNAL WISDOM ein reines Studioprojekt bleiben oder hast Du auch vor live zu spielen?

Johannes Tüllner: Weißt du, ich fühl mich auf der Bühne einfach nicht wohl. Das liegt vor allem auch daran, dass ich extremes Lampenfieber habe. Deshalb war jeder Gig, den ich bisher gespielt habe, eine Tortur für mich. Aus diesem Grund plane ich keine Liveaktivitäten und bin froh, behütet im Studio sitzen zu dürfen.

Wie geht es weiter mit ETERNAL WISDOM? Schreibst Du schon neue Songs oder gönnst Du Dir erst mal eine Pause?

Johannes Tüllner: Ich stecke zurzeit mitten in den Arbeiten fürs nächste Album. Es soll "Buried In A Womb" heißen und ich möchte es im Herbst dieses Jahres wieder im Studio meines Bruders aufnehmen. Musikalisch und lyrisch, gibt es wieder hier und da kleine stilistische Veränderungen. Im Gegensatz zu "Pathei Mathos", in dem es um Sinnfindung geht, erzähle ich in "Buried In A Womb" eine Lebensgeschichte, die in einem existenziellen Vakuum stattfindet. Das Material klingt bisher viel düsterer als es bei den anderen Veröffentlichungen von ETERNAL WISDOM der Fall war. Mal sehen was dabei herauskommt. Ich bin selbst schon sehr gespannt.

Verrate uns doch bitte noch, bevor wir zum Ende kommen, welchen Song Du gerne geschrieben hättest und ohne welche drei Alben es auf der einsamen Insel nicht ginge.

Johannes Tüllner: Da gibt es viele Songs, aber ich hätte zum Beispiel gerne "Love You To Death" von TYPE O NEGATIVE geschrieben. Auf eine einsame Insel würde ich mitnehmen: PESTILENCE: "Consuming Impulse", SENTENCED: "North From Here", DESULTORY: "Into Eternity".

Damit bin ich am Ende mit meinen Fragen und danke Dir für dieses Interview. Die abschließenden Worte gehören Dir.

Johannes Tüllner: Vielen Dank für deine Fragen und deinem Interesse an ETERNAL WISDOM. An alle Leser: Wer "Pathei Mathos" noch nicht gehört hat, kann hier die Platte streamen: www.otow.bandcamp.com.

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